Thebäische Legion
Zu Beginn der Zerrüttung des römischen Imperiums von außen durch immer neue Wellen einfallender Barbarenhorden seit Mitte des 3. Jahrhundert und im Inneren durch den Zerfall der geistigen Werte, der sich durch die verweichlichte Lebensweise seiner Bürger eingeschlichen hatte, bemühte sich Kaiser Diokletian († um 312) gegen Ende des 3. Jahrhunderts, mit durchgreifenden Reformen das Reich nach außen und innen wieder zu stabilisieren. Neben der Teilung des Reiches in eine östliche und einen westliche Hälfte und der Einführung der Tetrarchie (Viererherrschaft) mit den neuen Hauptstädten Nikomedia in Kleinasien, Sirmium auf dem Balkan, Mailand in Norditalien und Trier in Nordgallien, erweiterte er auch die Armee und rekrutierte eine mobile Reservearmee von der Größe eines Drittels des bisherigen Heerbestandes. Gleichzeitig bemühte sich Diokletian, die althergebrachte römische pantheistische Staatsreligion wiederzubeleben. Er war nämlich der Meinung, dass die Schicksalsschläge, welche das römische Reich in den letzten Jahren heimgesucht hatten, Ausdruck des Zornes der alten römischen Gottheiten wären, welche durch neue Kulte aus dem Osten, besonders durch das rasch sich ausbreitende Christentum, allmählich verdrängt wurden.
Schon vor seinem Edikt vom 23. Februar des Jahres 303, welches alle Christen zu Staatsfeinden erklärte, bekämpfte er den christlichen Glauben, indem er von allen Staatsdienern als Zeichen ihrer Treue ein Götzenopfer verlangte. In Ägypten, wo der christliche Glaube bereits fest verwurzelt war, wurden zusätzlich zu der bereits bestehenden sogenannten "Traianischen" Legion zwei neue Legionen ausgehoben, die "Tretia Diokletiana Thebaeorum" und die "Prima Maximiana Thebaeorum". Beide Armeen, die jeweils 6600 Soldaten zählten, bestanden mehrheitlich aus Christen. Eine dieser neuen Armeen wurde zur Unterstützung des Mitkaisers Maximians nach Westen versetzt, um über die Heerstraße, welche von Norditalien bis nach Nordgallien reichte, den Aufstand der Bagudae unter Amandus und Aelianus im Jahre 285 niederzuschlagen.
Die einzelnen Heeresverbände der Thebäer wurden von Liguiria nach Turin und Mailand, über Agaunum in den Alpen, nach Colonia Agrippina (dem heutigen Köln) und von Köln aus weiter bis Xanten verteilt. Der Hauptteil der Armee befand sich in Agaunum, dem heutigen St.-Maurice-en-Valais in den Alpen, auf einer zwischen Bergrücken liegenden, nur durch den engen Rhonedurchbruch schwer zugänglichen Hochebene. Die leitenden Offiziere der Thebäer waren Mauritius, der Oberkomanierende, Exuperius, der Instruktionsoffizier, der Militärsenator Candidus, der die Soldaten mittleren Alters befehligte, Innocentius und Vitalis. Weitere Militärführer waren Ursus und Victor, welche weiter nördlich in Solothurn, dem damaligen Castell Salodurum, stationiert waren.
Vor Beginn der Kampfhandlungen wurde den abkommandierten Abteilungen der christlichen Thebäer nun befohlen, das vor Kriegsbeginn übliche heidnische Opfer zu bringen. Als sie sich unter Hinweis ihrer Zugehörigkeit zu Christus weigerten, dies zu tun, und die zur Bestrafung ihrer Kameraden bestimmten Thebäer ebenfalls den Befehl verweigerten, ergrimmte der in der Nähe weilende Kaiser Maximian in rasender Wut und befahl, die Kohorten zu dezimieren. Hierzu wurde jeder zehnte Soldat durch das Los bestimmt, zur Hinrichtung abgeführt und mit dem Schwert enthauptet. In der Meinung, die Thebäer hierdurch eingeschüchtert zu haben, erließ Maximian erneut der Befehl, den Göttern zu opfern und alle anzuzeigen, die sich noch immer davon ausschließen würden,. Über diesen neuerlichen gotteslästerlicher Befehl geriet das ganze Heer der Thebäer in Aufregung.
Martyrium und Tod
Maximian erfuhr davon und ließ auf der Stelle eine zweite Dezimierung der Thebäer durchführen. Hier nun erwiesen sich der Oberbefehlshaber Mauritius, Exuperius, der Feldscherer, und der militärische Rat Candidus als wahre Wohltäter, indem sie die Truppen gemeinsam anspornten und aufforderten, unerschütterlich dem christlichen Glauben die Treue zu halten, vor dem Martyrium nicht zurückzuschrecken, sondern dem Beispiel ihrer gemarterten Kameraden zu folgen und kein Götzenopfer darzubringen. Gleichzeitig wurde an Maximian ein Schreiben gerichtet, in welchem sie ihre Loyalität gegen den Kaiser bekräftigten, dass sie bereit seinen, ihre Tapferkeit gegen jedweden Feind unter Beweis zu stellen, wozu sie ja auch bisher alle Strapazen auf sich genommen hätten, nur nicht gegen Unschuldige, und dass man ihrem Fahneneid für den weltlichen Kaiser kein Vertrauen schenken dürfe, wenn sie einen Eidesbruch gegen den einzigen wahren Gott begehen würden, wozu sie durch das verlangte Götzenopfer aufgefordert werden. Statt ihnen weiter zu befehlen, sich zu Christus bekennende Kameraden anzuzeigen, wurde Maximian aufgefordert, die Thebäer in ihrer Gesamtheit als Christen anzusehen, die nicht nur das verlangte Götzenopfer ablehnen, sondern sich auch nicht scheuen würden, für ihren Glauben an Christus den Tod und jedes Martyrium zu erdulden, ohne Widerstand zu leisten - und das, obwohl sie alle noch in Waffen stünden.
Der erzürnte Maximian sah nun ein, dass die Herzen der Thebäer in ihrer Treue zu Christus stark geblieben waren, und gab die Hoffnung auf, ihre ruhmvolle Standhaftigkeit brechen zu können. Daher entschloss er sich zu dem Befehl, den Rest der Thebäer ohne Unterschied niedermachen zu lassen. Die einzelnen Heeresabteilungen wurden von abkommandierten Soldaten umstellt und gingen allesamt, einer nach dem anderen, ohne Widerstand zu leisten in den Tod. Die Zahl der zu Agaunum ermordeten Thebäer betrug etwa 520 Mann. Unter diesen befanden sich die Heiligen Mauritius, Exuperius, Candidus, Innocentius und Vitalis (Gedächtnis am 22. September).
Die anderen Kohorten der Legion befanden sich an diesem Tag entweder auf dem Marsch oder waren in anderen Städten entlang der Militärstraße stationiert. Auch sie legten das Blutzeugnis für Christus ab. So wurden in Soloturn Ursus und Victor zusammen mit 66 Kameraden enthauptet (Gedächtnis am 30. September).
Der Überlieferung nach fand ihre Hinrichtung an der Brücke am “Treibiskreuz” statt. In Zürich wurden die Heiligen Felix und Regula, ein thebäisches Geschwisterpaar, welches sich in der monastischen Askese übte und die ersten ins Römerreich eindringenden Alemannensippen zu missionieren suchte, und Exuperantius hingerichtet. Zur Zeit der Reformation wurden die Häupter der Heiligen Felix und Regula wegen ihrer drohenden Vernichtung nach Andermatt geschafft (Gedächtnis am 11. September) ; während in Trier der Heiligen Thebäer Tyrsus, Palmatius, Bonifacius und ihren Kameraden am 4. und 5. Oktober gedacht wird.
Des weiteren siegten gegen den gottlosen Maximian die Heiligen Cassius und Florentius mit ihrer Kohorte in Bonn (Gedächtnis am 10. Oktober). Der Heilige Gereon mit 318 Legionären in Köln (ebenfalls am 10. Oktober), die Heiligen Viktor und Mallousus mit 330 Kameraden in Xanten (auch am 10. Oktober). Die Überlieferung erwähnt weitere Thebäer in Norditalien, so die Heiligen Maurilius, Georgius und Tiberius in Pinerolo, die Heiligen Maximinus, Casius und Secundus, deren Reliquien in Turin in der Kirche San Giovanni Baptista liegen, wo auch das Grabtuch Christi ausgestellt wird, Severinus und Licinius in Mailand, die Heiligen Octavus, Solutor und Adventor in Turin, die Heiligen Constantinus, Alverius, Sebastianus und Madius in den Kottischen Alpen, den Heiligen Alexander in Bergamo (Gedächtnis am 27. August), den Heiligen Antonius in Piacenza, den Heiligen Secundus in Ventimilia und noch viele andere. Erwähnt seien noch Thebäergräber in Pfäffikon, in Nyon, und in Schötz, wo der Heilige Nikasius, dessen Reliquien dort ruhen, verehrt wird. Die Thebäergräber in Basel-Augst und Unterhallau gingen in der Reformation verloren.
Ein Heiliger Märtyrer mit dem Namen Viktor gehörte nicht zur Legion. Dieser war Veteran und stieß auf seiner Reise zufällig auf Leute, die sich an den von den ermordeten Thebäern hinterlassenen Gütern gütlich taten. Als diese ihn einluden, es ihnen gleichzutun, und er den Grund ihrer Fröhlichkeit erfuhr, wurde er von Abscheu vor dieser Einladung erfüllt, und suchte sich zu entfernen. Da wurde ihm die Frage gestellt, ob er auch Christ sei, und als er zur Antwort gab, so sei es, und dass er immer Christ bleiben werde, stürzten sie sich vereint auf ihn und brachten ihn um. So wurde der Heilige Viktor den oben genannten Heiligen Märtyrern zugesellt. Der grausame Maximian aber endete auf folgende Weise: als er seinem Schwiegersohn Konstantin, der bereits Kaiser geworden war, einen Hinterhalt legen wollte, wurde der Verrat rechtzeitig aufgedeckt und Maximian bei Marseille gefangen genommen. Nicht lange danach endete er durch den Strick.
Wunder
Die Leiber der Heiligen Thebäer zu Agaunum wurden später dem Heiligen Bischof Theodor von Agaunum offenbart. Er ließ eine Basilika zu Ehren der Heiligen Märtyrer erbauen, in welcher sich viele Wunder ereigneten; so beteiligte sich beim Bau der Basilika auch ein Zimmermann, von dem man wusste, dass er noch Heide war. Als sich nun am Sonntag alle in der Kirche versammelten, blieb er allein in der Bauhütte zurück. Da erschienen ihm auf einmal die Heiligen Märtyrer, packten ihn und spannten ihn wie zur Folterung ein. Er bekam Schläge und wurde von ihnen getadelt, dass er als einziger am heutigen Feiertag nicht in der Kirche sei, und was ihm überhaupt einfiele, sich als Heide an diesem heiligen Bauunternehmen zu beteiligen. Hierauf rief der Zimmermann den Namen Christi an und bekehrte sich von seinem Irrtum. Ein weiteres Wunder ereignete sich an einer Frau, deren Füße gelähmt waren. Diese ließ sich auf einer Bahre von weit her hertragen und wurde von Bediensteten auf Händen in die Basilika getragen. Sie konnte dann aber auf den eigenen Füßen wieder in ihre Herberge zurückkehren und erzählte später Allen von diesem an ihr geschehenen Wunder. Viele andere Wunder, die nicht einzeln überliefert sind, ereigneten sich durch die Kraft Gottes an den Gräbern der Heiligen Leidensdulder, wie die Genesung von Besessenen und Heilungen vieler anderer Kranker.
Quelle
Dieser Text stammt aus: "Orthodoxe Heiligenleben", Vorabdruck im Internet, S.22ff. Scan des Kapitels über die Thebäische Legion. Mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber.