Prelest

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Ein Beispiel der Prelest: die Verführung der ersten Menschen

Das kirchenslawische Wort „Prelest” (прелесть, wrt.: „All-Lüge“), auch heute noch in Bezug auf spirituelles Leben viel verwendet, bedeutet „Irrnis, Täuschung, Verleitung, Blendwerk, Lüge, Betrug“ und ist ein Begriff, zu dem es in den europäischen Sprachen kein Äquivalent gibt. Es wird als „spirituelle Täuschung“ ("spiritual delusion”)," „spirituelles Irrtum” ("spiritual deception“) oder "Illusion" übersetzt, also die irrige Annahme einer Illusion als Wirklichkeit im Gegensatz zu spiritueller Nüchternheit. Außerhalb des spirituellen Kontexts wird dieses Wort auf Russisch häufig im Sinne von „Charme“, „Attraktivität“ verwendet.

Konnotativ beinhaltete Prelest die Verlockung in dem Sinne, wie die Schlange Eva über die verbotene Frucht täuschte. Der Hl. Ignatios Brjantschaninow versteht Prelest viel breiter, vgl. dazu: „Wir sind alle in Prelest“. Laut Prof. Dr. Alexei Osipov bedeutet dieser Satz vor allem, dass wir alle unsere eigenen Sünden und Fehltritte meist nicht bemerken und uns in einer trügerischen Selbstüberschätzung befinden.



Aus dem Buch "Über Prelest" vom Hl. Erleuchter Ignatios Brjantschaninow

Jünger: Erkläre mir bitte genau und ausführlich den Begriff Prelest. Was ist Prelest?

Starez: Prelest ist die Beschädigung der menschlichen Natur durch die Lüge. Prelest ist der Zustand aller Menschen, ohne Ausnahme, der durch den Sündenfall unserer Ahnen bewirkt wurde. Wir sind alle in Prelest. (Anfang der 3. Homilie des Ehrwürdigen Symeon dem Neuen Theologen, veröffentlicht 1852 im Optina-Pystun-Kloster). Das Wissen darüber ist die größte Verhütung gegen Prelest. Die größte Prelest ist es, sich von Prelest frei zu dünken. Wir sind alle betrogen, alle verleitet, befinden uns alle im falschen Zustand und benötigen die Befreiung durch die Wahrheit. Diese WAHRHE ist unser Herr Jesus Christus (Joh.8,32; 14,6). Mögen wir uns dieser Wahrheit durch den Glauben zu eigen machen; flehen wir zu dieser Wahrheit im Gebet, und sie wird uns aus der Untiefe der Selbsttäuschung und Täuschung durch die Dämonen herausziehen. Bitterlich ist unser Zustand! Er ist ein Gefängnis, aus dem wir unsere Seele herauszuführen flehen, damit wir den Namen des Herrn preisen (Ps. 142,8). Er ist jene finstere Erde, in die unser Leben durch den Feind niedergeworfen wurde, der uns beneidet und verfolgt hat (Ps. 143,8). Er ist die Gesinnung des Fleisches (Röm.8,6) und die fälschlich so genannte Kenntnis (1 Tim.6, 20), mit der die ganze Welt verseucht ist, die die eigene Krankheit nicht anerkennt und sie als blühende Gesundheit ansieht. Er ist Fleisch und Blut, die das Reich Gottes nicht ererben können (1 Kor.15,50). Er ist der ewige Tod, welchen der Herr Jesus Christus heilt und vernichtet, der die Auferstehung und das Leben ist (Joh.11,25). Solcherart ist unser Zustand. Die Erkenntnis dessen ist ein neuer Anlass zu Tränen. Mögen wir in Tränen zu dem Herrn Jesus flehen, damit ER uns aus dem Gefängnis herausführt, aus den irdischen Ungründen herauszieht, aus dem Maul des Todes herausreißt. ’’„Unser Herr Jesus Christus“ , sagt der Ehrwürdige Symeon der Neue Theologe, „ist eben darum zu uns herniedergestiegen, weil er uns aus dem Gefängnis und der bösesten Prelest herausnehmen wollte“ (Anfang der 3. Homilie).

Jünger: Diese Erklärung ist meinen Begriffen nicht zugänglich. Ich brauche eine Erklärung, die einfacher und meinem Verständnis näher ist.

Starez: Als Mittel zur Vernichtung der Menschheit wurde von dem gefallenen Engel die Lüge angewendet (Gen.3,13). Aus diesem Grund nannte der HERR den Teufel einen Lügner, den Vater der Lüge und einen Menschenmörder von Anfang (Joh. 8,44). Den Begriff der Lüge hat der HERR mit dem Begriff des Menschenmordes eng verbunden, da das letztere eine unvermeidbare Folge des ersteren ist. Mit den Worten „von Anfang“ wird darauf hingewiesen, dass die Lüge für den Teufel von Anfang an als Instrument für den Menschenmord diente; sie dient ihm ständig als Instrument für den Menschenmord, zur Vernichtung der Menschen. Der Beginn aller Arten des Bösen ist ein lügnerischer Gedanke! Die Quelle der verführerischen Selbsttäuschung und der dämonischen Prelest ist ein lügnerischer Gedanke! Mittels der Lüge erschlug der Teufel die Menschheit in ihrer ersten Wurzel, in den Urahnen, mit dem ewigen Tod. Unsere Urahnen ließen sich zu Prelest verleiten, das heißt, sie nahmen die Lüge für die Wahrheit, und nachdem sie die Lüge hinter der Maske für die Wahrheit nahmen, beschädigten sie sich mit der unheilbar todbringenden Sünde, was auch unsere Urmutter bezeuge. Die Schlange betrog mich, und ich aß (Gen.3, 13). Seit jener Zeit strebt unsere Natur, mit dem Gift des Bösen verseucht, willkürlich und unwillkürlich das Böse an, das sich dem verzerrten Willen, dem verkehrten Verstand und dem verkehrten Gefühl des Herzens als Gutes und Genuss darstellt. Willkürlich, da es in uns noch einen Rest an Freiheit in der Wahl des Guten und des Bösen gibt. Unwillentlich, da dieser Rest an Freiheit nicht als volle Freiheit agiert, sondern unter dem unentziehbaren Einfluss der Beschädigung durch die Sünde. Solcherart werden wir geboren; es ist uns unmöglich, nicht solcherart zu sein, und daher befinden wir uns alle, ohne jegliche Ausnahme, im Zustand der verführerischen Selbsttäuschung und der dämonischen Prelest. Aus dieser Sicht auf den Zustand der Menschen in Bezug auf das Gute und das Böse, auf den Zustand, der notwendigerweise jedem Menschen zugehört, ergibt sich folgende Definition von Prelest, die sie hinreichend erklärt: 'Prelest ist die Aneignung der Lüge, die der Mensch für die Wahrheit hält. Ursprünglich wirkt Prelest auf die Denkweise; nachdem sie akzeptiert ist und die Denkweise verdorben hat, wird sie sofort dem Herzen mitgeteilt und verkehrt die Gefühle des Herzens; nachdem sie das Wesen des Menschen beherrscht hat, durchflutet sie all seine Aktivitäten, sie vergiftet selbst seinen Körper, der vom SCHÖPFER mit der Seele untrennbar verbunden ist. Der Zustand der Prelest ist der Zustand des Unterganges bzw. des ewigen Todes.