Nachtwache

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Orthodoxes Glaubensbuch - Die Nachtwache

Die Nachtwache erhielt ihren Namen von der Zeit ihrer Feier. Im Altertum – aber in einigen Klöstern auch noch bis heute – dauerte die Nachtwache die ganze Nacht. Jetzt dauert sie selten länger als 4 Stunden.

Die Große Vesper

Sie beginnt mit einer vollständigen Beräucherung der ganzen Kirche. Die Königstür wird geöffnet. Priester und Diakon verneigen sich vor dem Altartisch und beräuchern den Altarraum, was die Erschaffung der Welt zu Beginn der Zeiten symbolisiert. Der Diakon tritt aus der Königstür und ruft: „Stehet auf!“ Dies ist ein Aufruf an alle. Alle Gespräche, Bewegungen und andere Tätigkeiten müssen beendet werden. In der Kirche kehrt Stille ein.

Der Priester beginnt die Vesper mit dem Ausruf: „Ehre sei der heiligen, wesenseinen, lebenspendenden und unteilbaren Dreifaltigkeit allezeit, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Der Chor singt „Amen“. Alle Geistlichen singen im Altar: „Kommt, lasst uns Gott, unseren König anbeten!“

Danach singt der Chor den Psalm: „Lobe den Herrn meine Seele...“, der Diakon geht mit dem Priester durch die ganze Kirche, und der Priester beräuchert jede Ikone und die Gläubigen in der Kirche. Alle Anwesenden neigen beim Nahen des Priesters ihr Haupt wie vor Gott selbst.

Nachdem sie durch die Kirche gegangen sind, treten der Diakon und der Priester durch die Königstür in den Altarraum, und der Diakon schließt die Königstür. Danach kommt der Diakon aus dem Altarraum und liest die Große Ektenie, wonach der Chor Verse aus dem ersten Psalm singt: „Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt...“

Danach liest der Diakon die kleine Litanei und der Chor singt Verse aus den Psalmen: „Herr, ich rufe zu Dir...“, dazu werden Stichera (stichiry) gesungen, d. h. Gesänge zu Ehren des Erlösers, der Gottesmutter, des Festtags oder des Tagesheiligen. Das letzte Sticheron während des Gesanges „Herr, ich rufe zu Dir...“ heißt Dogmatikon, da darin das Dogma von der Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus aus der Jungfrau Maria besungen wird. Während des Singens dieses letzten Sticherons wird die Königstür geöffnet, und es findet der Abendeinzug statt. Der Priester, vor dem der Diakon mit dem Weihrauchfass geht, schreitet durch die nördliche Tür der Ikonostase heraus. Davor trägt ein Altardiener eine Kerze. Der Priester wendet sich mit dem Gesicht zur Königstür und gibt den Einzugssegen, und der Diakon ruft: „Weisheit! Aufrecht!“, danach gehen beide in den Altarraum. Der Priester küsst dabei die Ikonen des Heilands und der Gottesmutter, die neben der Königstür hängen, segnet das Volk und betritt den Altarraum.

Der Ausruf „Weisheit! Aufrecht!“ bedeutet, dass die Gläubigen nun die Weisheit der Lehre über Jesus Christus hören werden und deshalb aufrecht stehen, aufmerksam und konzentriert sein müssen. Der Chor singt zur Ehre des Gottessohnes Jesus Christus: „Heiteres Licht...“ („Jesus Christus, Du heiteres Licht der Herrlichkeit des ewigen, heiligen und seligen Vaters! Sind wir zum Untergang der Sonne und zum Abendlicht gelangt, so preisen wir Gott, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Würdig bist Du allezeit, mit geziemenden Rufen gepriesen zu werden, Sohn Gottes, Lebensspender. Deshalb verherrlicht Dich das All.“)

Danach wird das Prokimenon gesungen, ein kurzer Psalmvers. Er wird in besonderer Weise gesungen. Zuerst singt der Diakon den ersten Vers des Psalms, dieser wird vom Chor wiederholt. Danach liest der Diakon den zweiten Vers, der Chor wiederholt den ersten Vers. Zum Schluss wiederholt der Diakon den ersten Vers, aber nur bis zur Hälfte, der Chor singt den zweiten Teil.

Das Prokimenon ändert sich je nach dem Wochentag, am Samstagabend wird aber immer „Der Herr ist König, in Pracht ist er gekleidet“ gesungen.

Nach der inständigen Ektenie wird das Gebet „Würdige uns, o Herr, an diesem Abend ohne Sünde bewahrt zu werden“ gelesen oder gesungen, danach folgen die Bittektenie und der Lobgesang des greisen Simeon „Nun entlässest Du, Gebieter, Deinen Diener...“ und danach das Gebet „Gottesgebärerin, Jungfrau, freue Dich...“.

Der Chor singt dreimal das kurze Gebet des gerechten Ijob „Gepriesen sei der Name des Herrn von nun an bis in Ewigkeit“, und der Priester segnet das Volk vom Ambon aus.

Der erste Teil der Nachtwache, die Vesper, ist zu Ende.

An großen Festtagen wird nach der Bittektenie die Lite (litija – Fürbittgebet) eingeschoben und die Segnung der Brote vorgenommen. Die Geistlichen kommen während des Gesangs von Sticheren aus dem Altar und gehen bis zur Eingangstür der Kirche. Früher gingen sie in den Vorraum (Narthex), wo die Büßer standen, welche die Kirche nicht zu betreten wagten, und beteten mit ihnen. Jetzt stehen die Büßer nicht mehr im Vorraum, deshalb gehen auch die Geistlichen nicht mehr dorthin.

Auf einen Tisch, der gewöhnlich vor der Festtagsikone in der Mitte der Kirche aufgestellt wird, stellt ein Altardiener unterdessen ein Gefäß mit Weizen, Wein, Öl und Broten.

Nach der Lite gehen die Priester zum Tisch, und der Vorsteher segnet alles, was sich in den Gefäßen befindet, und bittet Gott, dass die Lebensmittel in unserem Land und in der ganzen Welt nicht versiegen mögen, und dass Gott diejenigen heiligen möge, die davon in Ehrfurcht essen. Mit dem Öl werden bei der Nachtwache gewöhnlich die Gläubigen gesalbt, dabei wird das gesegnete Brot verteilt, das mit dem Wein beträufelt wurde.

Die Gebete erinnern an die Zeiten, da der Gottesdienst sehr lange dauerte, die Menschen von weit her kamen und man die Gläubigen während des Gottesdienstes zur Stärkung ihrer Kräfte speiste.

Die Matutin (Orthros)

Der zweite Teil der Nachtwache beginnt mit dem Lesen der Sechs Psalmen (sechs ausgewählte Psalmen). Das Licht in der Kirche wird gelöscht, der Lektor tritt vor die Festtagsikone in der Mitte der Kirche und liest bei Kerzenlicht. Die Gläubigen müssen ihm so aufmerksam zuhören, als ob der Herr selbst mit ihnen spräche.

Nach der Großen Ektenie wird ein kurzes Lied über die Ankunft Christi in der Welt gesungen: „Gott der Herr ist uns erschienen, gebenedeit sei, der da kommt im Namen des Herrn.“ Der Chor singt das Troparion des Festtages, und es beginnt die Lesung der Kathismen. Kathisma ist ein griechisches Wort, welches „sitzen“ bedeutet, da es in dieser Zeit erlaubt ist zu sitzen. Das Buch der Psalmen enthält 150 Psalmen und ist in 20 Kathismen unterteilt. Diese Lesung dauert der Regel nach sehr lange, heute werden in den Pfarrkirchen aber nur kurze Ausschnitte gelesen.

Danach beginnt das Polyeleos (in der Übersetzung aus dem Griechischen „viel Erbarmen“). Alle Lichter in der Kirche werden angezündet, und die Geistlichen gehen während des Gesangs der Verse „Lobsinget den Namen des Herrn“ aus dem Altar. Sie bleiben in der Mitte der Kirche stehen, der Diakon verteilt Kerzen. Wenn an diesem Tag ein großer Festtag ist, wird ein Verherrlichungslied (slaw. величанїе) gesungen, ein kurzer Gesang, in dem der Herr, die Gottesmutter oder die Heiligen besungen werden, deren Fest gefeiert wird.

Der Chor wiederholt dieses Verherrlichungslied mehrmals, die Geistlichen beräuchern in dieser Zeit die ganze Kirche.

Beim Gottesdienst am Samstagabend werden während der Beräucherung besondere sonntägliche Hymnen gesungen („Die Engelschar staunte...“). Die Geistlichen kehren zu ihrem Platz in der Mitte der Kirche vor die Festtagsikone zurück. Der Diakon holt das Evangeliar aus dem Altar, trägt es durch die Königstür und liest das Prokimenon vom Ambon aus. Danach verkündigt der Pfarrer (Vorsteher) das Evangelium, wonach an Sonntagen (Samstagabend) alle Gläubigen ein feierliches Lied zu Ehren des auferstandenen Erlösers singen: „Wir haben die Auferstehung Christi geschaut...“

Vor der Ikone des Heilands stehend, liest der Diakon das Gebet „Rette, o Herr, Dein Volk...“. Alle küssen die Festtagsikone und treten zum Vorsteher. Der Priester taucht den Pinsel in das Gefäß mit dem gesegneten Öl und salbt die Stirn jedes Herantretenden mit dem Zeichen des Kreuzes.

Es beginnt die Lesung des Kanon-Hymnus. Kanon heißt in der Übersetzung aus dem Griechischen "Regel". Er beinhaltet neun Oden. (Eine Kanon-Ode besteht aus einer Reihe von Versen zu Ehren des Heilands, der Mutter Gottes, des Festtags oder des Heiligen, der an diesem Tag gefeiert wird.) Zwei Lektoren lesen abwechselnd mit lauter Stimme die Verse des Kanon-Hymnus, der Chor singt zu Beginn jeder Ode den Irmos (erste Strophe).

Nach dem Ende des Kanon-Hymnus werden die „Lobverse“ gesungen, sie heißen so, da sie den Psalmversen „Alles was atmet, lobe den Herrn...“ folgen. An deren Ende wird die Königstür geöffnet, und der Priester ruft feierlich aus: „Ehre sei Dir, der Du uns das Licht gezeigt hast!“ Der Chor singt die große Doxologie: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen...“, die mit dem Trisagion endet: „Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser.“

Der Diakon liest die inständige Ektenie und die Bittektenie, und der Priester spricht zum Volk gewandt, in der Königstür stehend, den Entlassungssegen. Der Entlassungssegen ist das letzte Gebet des Priesters, in dem die Heiligen genannt werden, zu deren Ehren der Gottesdienst gefeiert wird.

Damit endet die Nachtwache. Danach wird die erste Stunde gelesen, die aus Psalmen, dem Troparion und Kontakion des Festtages und anderen Gebeten besteht. Sie wird mit einem Loblied zu Ehren der Gottesmutter beendet: „Dir, der für uns kämpfenden Heerführerin, bringen wir, Deine vom Bösen befreiten Diener, dankerfüllte Siegeslieder dar, o Gottesmutter! Da Du unbesiegbare Macht besitzt, errette uns aus allen Gefahren, damit wir zu Dir rufen: Sei gegrüßt, Du nie vermählte Braut!“


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