Heilige Ölung

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Das Sakrament der heiligen Ölung – die Krankensalbung

Die heilige Ölung oder die Krankensalbung ist das Sakrament, in dem die Kirche für einen Kranken die Gnade Gottes erfleht, welche die Krankheiten der Seele und des Leibes durch Salbung mit geweihtem Öl heilt.

Kranke zu pflegen, Sterbende zu begleiten und für die Toten zu sorgen, wird in orthodoxen Kreisen zuallererst als familiäre Aufgabe verstanden. Die Betonung der Familie knüpft einerseits an pagane Zeiten an, wurde aber im 4. Jahrhundert zunehmend ergänzt durch kirchliche Riten und Symbole, die sich vor allem auf die Mysterien und das Begräbnis selbst richten. Der in orthodoxer Tradition überlieferte Reichtum ist dabei so vielfältig wie die orthodoxen Kirchen selbst. Wenn ein orthodoxer Priester gerufen wird, besucht er schwerkranke Menschen auch zu Hause. Dabei kann er neben der Eucharistie als dem eigentlichen Sterbesakrament auch die Krankensalbung anbieten. Sie ist nach orthodoxem Verständnis keine letzte Ölung und auch kein Sterbesakrament. Sie wird nicht nur in Todesgefahr, sondern nach Jak 5, 14-15 zur Gesundung des Leibes oder der Seele oder des Geistes gespendet.

Es gibt fast niemanden, der nicht weiß, was Krankheit ist. Sogar jene, die in der Jugend völlig gesund waren, verlieren diese Gesundheit im Alter und sterben schließlich. So sind die Gesetze unserer Welt, in der die Sünde das Leben zerstört. Die unvermeidliche Folge der Sünde sind Krankheiten und Tod. Es ist sinnlos, den Körper zu heilen, wenn die Seele krank ist. Früher oder später wird der Körper zur Erde zurückkehren, aus der er geschaffen wurde, der Geist aber geht zu Gott, wo er Ihm Antwort geben wird für alles, was er im irdischen Leben Gutes und Böses getan hat. Deshalb darf man, wenn man den Körper heilen will, die Seele nicht vergessen. Sogar wenn sich erfahrene Ärzte um unsere Gesundheit bemühen, schenkt Gott die Heilung, und wenn Er nicht will, werden alle Anstrengungen der Ärzte umsonst sein. Und umgekehrt hat der Herr die Macht, jeden Menschen nach seinem Glauben zu heilen, und zwar den ganzen Menschen, sowohl die Seele als auch den Körper, sogar wenn kein Arzt den Kranken berührt.

Das Sakrament der Krankensalbung will uns, wenn wir beginnen den Körper zu heilen, nicht auf die Seele vergessen lassen und auf den Grund der Krankheit – die Sünde. Im Rituale steht geschrieben, dass dieses Sakrament “schwer Kranken” gespendet wird, obwohl viele nach dem Rat ihrer Beichtväter jedes Jahr zur Krankensalbung gehen, da das Sakrament nicht nur zur Heilung des Leibes, sondern auch zur Heilung der Seele dient – und das in erster Linie. Die Spendung des Sakramentes der Krankensalbung bedeutet jedoch nicht, dass man aufhören sollte, Medikamente einzunehmen oder einen Arzt aufzusuchen, denn wenn Heilung durch einen Arzt geschieht, so ist auch dies von Gott. Oft wird die Krankensalbung mit der Beichte und Kommunion verbunden. Wenn der Kranke vor dem Tod steht, empfängt er zuerst das Sakrament der Buße und die Kommunion, dann erst die Krankensalbung. Gewöhnlich jedoch, wenn der Kranke nicht in Todesgefahr ist, beichtet er zuerst und wird anschließend gesalbt.

Den Regeln nach müsste das Sakrament der Krankensalbung im Namen der Fülle der Kirche von sieben Presbytern – Priestern gespendet werden und heißt deshalb auch Soborovanie (vom kirchenslawischen Wort sobor – Versammlung). Deshalb wird auch der Ritus des Sakramentes in sieben Teile geteilt. In jedem einzelnen werden spezielle Gebete und je eine Perikope aus den Apostelbriefen und den Evangelien gelesen. Jedoch hat heute eine Pfarrei selten sieben Priester. Gewöhnlich wird das Sakrament daher von einem Priester gespendet, besonders wenn es im Haus des Kranken geschieht. Dies erlaubt die Kirche im Notfall, wenn die volle Anzahl von Priestern nicht zur Verfügung steht. In diesem Fall liest ein einziger Priester im Namen der ganzen Versammlung alle Gebete und vorgesehenen Lesungen.

Die Vorbereitung auf die Krankensalbung

Wenn die Krankensalbung im Haus des Kranken stattfindet, bereitet man vor der Ankunft des Priesters einen Teller mit Getreidekörnern (Weizen oder jedes andere Korn) und ein kleines Gefäß mit Öl (d. h. Olivenöl, Sonnenblumenöl oder ähnliches) vor. Benötigt werden auch etwas roter Wein, sieben Stäbchen, deren Enden mit Watte umwickelt sind, und sieben Kerzen. Diese Stäbchen mit Watte heißen im Rituale stručcy (Einzahl stručec).


Außerdem sollte ein reines Tuch vorhanden sein, um damit das Öl abzuwischen, mit dem der Priester den Kranken so reichlich salbt, dass es auf die Kleidung tropfen kann. Es werden Stirn, Nase, Wangen, Lippen, Brust und Hände gesalbt, deshalb soll die Kleidung so gewählt werden, dass es möglich ist, die Brust zu salben, und nicht nur den Hals.

Im Laufe einer schweren und langdauernden Krankheit genügt eine Krankensalbung. Es ist zu beobachten, dass nach der Krankensalbung der Kranke oft sehr bald gesundet oder, wenn es ihm von Gott bestimmt ist, stirbt. Es ist unangebracht, während einer Krankheit mehrmals die Krankensalbung zu empfangen. Für die Stärkung der Seele und des Leibes gibt es das Sakrament der Kommunion, welches man so oft empfangen kann, wie es nötig ist und es der Beichtvater erlaubt. Die allgemeine Krankensalbung wird gewöhnlich in der Großen Fastenzeit in den verschiedenen Kirchen an verschiedenen Tagen gefeiert, zumindest jedoch in der Woche der Kreuzverehrung.

Der Ritus des Sakraments

Das Sakrament der Krankensalbung heißt auch noch Soborovanie, da es von sieben Priestern gespendet wird, d. h. von der “Versammlung” der Priester. Die Zahl “sieben” ist in der Kirche heilig und sie hat eine tiefe Bedeutung. So ist die Zahl der Sakramente sieben, es gibt die sieben Gaben des Heiligen Geistes, sieben Ökumenische Konzilien u.s.w. “Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben.” Dieses Gebot des Apostels Jakobus wird im Sakrament der Krankensalbung erfüllt.

Das Mysterium der Krankensalbung wird vor einer Ikone mit Christus und Maria vollzogen. Die Symbole des Salbungsritus sind Weizenkörner und/oder Weizenmehl in einer Schale, in deren Mitte ein Gefäß gestellt wird, das mit Wein vermischtes Öl beinhaltet. Der Ritus basiert auf der Erzählung vom Barmherzigen Samariter aus Lk 10, 34 ff.

Der Ritus besteht aus 3 Teilen: der Paraklisis, der Segnung des Hl. Öls verbunden mit einer Anrufung, Gebeten und einer siebenfachen Salbung, jeweils unterbrochen von einer Apostellesung, einer Evangelienlesung, einer Ektenie und einem Priestergebet. Die Zahl 7 spielt eine entscheidende Rolle. Sie bezieht sich auf die 7 Gaben des Hl. Geistes nach Gal.5, 22: Liebe, Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Glaube.


Nach der Lesung des Evangeliums und der Gebete wird die erste Salbung vollzogen. Der erste Priester nimmt den Pinsel, taucht ihn in das Öl und salbt kreuzförmig Stirn, Nase, Wangen, Lippen, Brust und Hände des Kranken. Dabei liest der Priester ein besonderes Gebet: “Heiliger Vater, Arzt der Seele und des Leibes, Du sandtest Deinen einziggeborenen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, der alle Krankheit heilt und vom Tode erlöst. Heile auch Deinen Diener (Deine Dienerin) (N. N. z. B. Alexander) von der ihn (sie) umfangenden körperlichen und seelischen Krankheit und belebe ihn (sie) durch die Gnade Deines Christus...” Bei jeder folgenden Salbung mit Öl wird das Gleiche wiederholt. Es werden Abschnitte aus Apostelbriefen gelesen, danach das Evangelium, dann liest der nächste Priester Gebete und salbt den Kranken – und so sieben Mal.

Nach der letzten – siebenten – Salbung stellen sich die Priester im Kreis um den Kranken, der erste öffnet das Evangeliar und legt es so auf den Kopf des Kranken, dass der Kopf sich zwischen den geöffneten Seiten befindet, und liest ein Gebet, in dem er sagt, dass nicht er – der Priester – seine sündige Hand auf das Haupt des Kranken legt, sondern “Deine machtvolle und kräftige Hand, die in diesem Heiligen Evangelium ist” (so unterscheidet sich dieser Ritus übrigens von der Praxis vieler Heiler, die mit ihren eigenen Händen heilen), und im Weiteren bittet er um die Vergebung der Sünden und Gesundheit für den Kranken.

Der Kranke wiederholt während der Lesung dieses Gebetes ständig “Herr, erbarme Dich”. Nach kurzen Abschlussgebeten verneigt sich der Kranke dreimal vor den Priestern und spricht: “Segnet mich, heilige Väter, und vergebt mir Sünder!”

Anders als im westlichen Verständnis dient die Krankensalbung nicht allein dem Individuum zum Trost. Auch wenn sie im privaten Raum gespendet wird, gilt sie als Gemeinschaftshandlung, bei der 7 Priester anwesend sind. In der Regel kann die Krankensalbung aber auch ein Priester im Namen der Priesterschaft vollziehen. Er muss aber dann die zahlreichen Gebete alleine sprechen. Bei würdigem Empfang gewährt sie die Vergebung der Sünden, insbesondere wenn diese in einem Zusammenhang mit der Krankheit des betroffenen Menschen stehen. Es ist verboten, die Krankensalbung bereits Verstorbenen zu spenden.

Stirbt der Kranke während der Salbung, wird der Ritus abgebrochen. Stirbt der Kranke nach dem Empfang des Mysteriums, wird der Rest von Öl und Wein über dem Verstorbenen kreuzweise vergossen. Sonst verbrennt man ihn in Öllampen.

In den orthodoxen Gemeinden in Deutschland wird die Krankensalbung zusätzlich in der Kirche während der Hohen Woche (Karwoche) gefeiert. Alle, die krank sind, aber auch Gesunde, die herzutreten, werden dann einmal gesalbt. Diese Salbung ist zugleich Erinnerung an die in orthodoxen Kirchen übliche Myronsalbung im Anschluss an die Taufe und insofern auch Tauferinnerung.

Nach orthodoxem Verständnis solidarisiert sich der in Jesus Christus leidende Gott so mit den Kranken und vermittelt ihnen damit die existentielle Gewissheit, dass Gott der Arzt der Seele und des Körpers ist. Denn das Öl hat eine alte und tiefe Symbolik, sowohl als Heilmittel wie auch als Zeichen der Barmherzigkeit. Mit der Krankensalbung und der mit ihr verbundenen Seelsorge ergänzt die orthodoxe Kirche die medizinischen und pflegerischen Bemühungen.


Siehe auch

Orthodoxes Glaubensbuch

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Inhaltsverzeichnis & Copyright

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