Sergius Heitz, Erzpriester

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Sergius Heitz (ursprünglich Alfons A. Heitz, * 6. Juni 1908 in Illkirch-Graffenstaden, † 7. Oktober 1998) war ein deutscher orthodoxer Priester und Gründer der Orthodoxen Fraternität für die deutschsprachigen Gemeinden.

Erzpriester Sergius Heitz - Zum seinem 100. Geburts- und 10. Todestag

Von Nikolaj Thon

Vor zehn Jahren, genauer gesagt am 7. Oktober 1998, am Vorabend des Gedenktages des hl. Sergij von Radonež alten Stils, verstarb im Alter von 90 Jahren und vier Monaten einer der bekanntesten (und zu diesem Zeitpunkt wohl der dem Lebensalter nach älteste) orthodoxen Priester Deutschlands, Erzpriester Sergius (früher: Alphonse Abogast) Heitz.

Sergius Heitz war mit Sicherheit für einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten eine der bekanntesten, allerdings gelegentlich auch umstrittensten Persönlichkeiten der Orthodoxie in Deutschland, besonders des deutschsprachigen Elements in ihr, das durch ihn stark geprägt wurde. Nach seinem Verständnis sollte eine Konversion westlicher Christen zur Orthodoxie nicht zur Folge haben, dass der Konvertit seine eigene Kultur, Mentalität und Sprache ablegt, wenn er orthodox wird. Erzpriester Heitz ging es nach seinen eigenen Aussagen dabei vor allem um den universellen Anspruch der Orthodoxe Kirche. Seine Lebensaufgabe sah er stets darin, der Orthodoxie im Westen einen für alle Christen zugänglichen Raum zu schaffen, weswegen er für unermüdlich die Festigung der deutschen, zumindest einer deutschsprachigen Orthodoxie arbeitete.

Seine Intentionen und Positionen über den Auftrag der Orthodoxen Kirche im Westen, speziell in Deutschland, wie er ihn verstand, erläuterte er einmal in einem Beitrag in den „Parochialen Monatsblättern“ aus Anlass des silbernen Jubiläums der Düsseldorfer Gemeinde so: „Die Orthodoxe Kirche beansprucht in ihrem Bewusstsein und in ihrer Sendung die universal gültige Ausprägung dessen zu sein, was Christentum ist und sein muss. ... Das Zeugnis der urchristlichen Wahrheit und Gottesverherrlichung ließ in steigendem Maße Menschen sog. ‚westlicher' ... oder anderer nicht-östlicher Herkunft ihre geistlich-kirchliche Heimat in der katholischen Orthodoxie finden. ... Orthodoxie hierzulande, in heutigen Zeiten heißt durch ein von Gott gültiges Zeugnis, den existentiellen Zugang zur Fülle - im historischen und metaphysischen Sinn - des urchristlichen Lebens offen zu halten, heißt ... ohne auflösende Abstriche, ohne in Missgestaltungen verkrümmt, ohne billige Verdünnungen, ohne zentrifugale Entwicklungen, ohne humanistische (rationalistische, historizistische, ethizistische) Vorbehalte, so wie der Heilige Geist eben diesen weltüberwindenden Glauben mit der Göttlichen Tradition in der alleinigen, heiligen Kirche rein, lebendig und gegenwärtig strömen lässt, heißt ... den dreieinigen Gott ... anzubeten und Seine Herrlichkeit widerzuspiegeln.“ [1]

Angesichts der Tatsache, dass die Orthodoxe Kirche in den westlichen Ländern der Diaspora, darunter auch in Deutschland, vor allem von Migranten aus den traditionell orthodoxen Heimatländern getragen wurde und wird (heute dank der Zuwanderung aus Ost- und Südosteuropa sogar noch wesentlich mehr als vor einigen Jahrzehnten), war die Aufgabe, die der Erzpriester sich gestellt hatte, sicher nicht leicht, wie sich auch an seinem bewegten Lebensweg, etwa dem relativ häufigen Wechsel zwischen verschiedenen orthodoxen Jurisdiktionen, ablesen lässt. So begründete er beispielsweise den Wechsel in die Jurisdiktion des Pariser Erzbistums in einem von ihm selbst verfassten Parochiebrief[2] folgendermaßen: „Dieses Erzbistum ... wendet sich an jene Orthodoxen in Westeuropa, deren Sprache oder Bildungssprache, die des westlichen Landes sind, in dem sie wohnen. ... Dieser multinationalen, hier sich verwurzelnden Orthodoxie gehört auch hierzulande die Zukunft des unvergleichlichen orthodoxen Erbes ... als universalgültige Ausprägung des Christentums ... Auch unsere Gemeinde sieht sich in zunehmendem Maße vor die Notwendigkeit gestellt, für Deutschsprachige die Orthodoxie in den deutschen Kulturraum zu vermitteln. Nur auf diese Weise meint sie ihre Aufgabe erfüllen zu können, nämlich sowohl den aus verschiedenen Nationen entstammenden Gemeindegliedern als auch Nichtorthodoxen, die die Orthodoxie besser ken nen lernen wollen, zu dienen.“ [3]

Trotz etlicher – sicher auch von ihm selbst mit verursachter – Rückschläge hat aber Sergius Heitz bis in sein hohes Alter, ja eigentlich bis zu seinem Tod für sein Ideal, die deutschsprachige Orthodoxie, gekämpft, und sich trotz mannigfacher Hindernisse dabei nicht entmutigen lassen. Seine mehrfachen Wechsel der kirchlichen Zugehörigkeit erschienen ihm dabei als ein notwendiges Übel und entsprangen in seiner Sicht in erster Linie der Sorge um die Weiterexistenz der deutschsprachigen Orthodoxie. Da er sich von seiner Herkunft her keiner orthodoxen lokalen Tradition – außer der angestrebten deutschen – natürlich verbunden fühlte, suchte er eben jene kirchliche Obrigkeit, die in seiner Sicht bereit war, die Entstehung der lokalen deutschen Orthodoxie besonders zu fördern. Nach seinen eigenen Aussagen leitete ihn die Überzeugung, dass jede nationale Ausrichtung des Aufbaus einer Orthodoxen Kirche in der Diaspora - so wichtig diese im Anfang zur Sammlung und pastoralen Betreuung auch ist - nach der zweiten, dritten Generation ihre geistliche Tragkraft verliere, wenn die Kinder und Enkelkinder der eingewanderten Orthodoxen die Sprache ihrer Vorfahren im Gottesdienst nicht mehr verstehen. Zudem hegte er die feste Hoffnung, dass nicht-orthodoxe Christen, vor allem durch das II. Vatikanum verunsicherte römische Katholiken, ihren Heilsweg in größerer Zeit in der Orthodoxen Kirche suchen und finden würden – eine Erwartung, die sich in keiner Weise, von Ausnahmen abgesehen, erfüllte.

Schon der bewegte Lebenslauf von Erzpriester Heitz mit manchen unerwarteten Entwicklungen, sogar Brüchen zeigt, dass es sich bei ihm um einen ungewöhnlichen und bis ins hohe Alter bemerkenswert aktiven, aber gelegentlich auch eigenwilligen Menschen handelte.

Am 6. Juni 1908 in Grafenstaden (Arrondissement Strasbourg-Campagne) im Elsass geboren, empfing er am 24. Juni des gleichen Jahres im Straßburger Münster die römisch-katholische Taufe und erhielt den Taufnamen Alfons. Von 1919 bis 1924 besuchte er das römisch-katholische Bischöfliche Gymnasium in Straßburg und studierte dann von 1924 bis 1931 an der römisch-katholischen Theologischen Fakultät der Universität Strassburg. In diese Zeit fällt der Beginn seiner ersten Bekanntschaften mit orthodoxen Theologen wie dem späteren Metropoliten von Neokaisareia Chrysostomos (Koronaios), dem letzten Direktor der Hochschule von Chalki, dem späteren Patriarchen der Rumänischen Orthodoxen Kirche Justin (Moisescu) und besonders dem rumänischen Archimandriten Benedict Ghius, dem späteren Reformator des rumänischen Mönchtums und Gründer der akademischen Gemeinschaft vom „Brennenden Dornbusch“. Sie alle waren zeitweise auch Studenten an der Universität Straßburg.

Am 16. Juli 1931 wurde Heitz im lateinischen Ritus zum Priester der Römisch-Katholischen Kirche geweiht. Nach seiner Kaplanszeit war er von 1935 bis 1945 Pfarrer in Hartmannsweiler im Oberelsass, wo er einen ökumenischen Arbeitskreis zwischen Lutheranern und Katholiken gründete. Zu dieser Zeit arbeitete er auch bei der evangelischen Zeitschrift „Kirche und Liturgie“ mit. Außerdem war Heitz Mitherausgeber der kirchlichen Wochenschrift „Der Sonntag“, die aber 1942 von den Nationalsozialisten verboten wurde. Ferner war er an der Herausgabe des Gesang- und Gebetsbuches für das Bistum Straßburg, „Jubilate“, beteiligt. In diesen Jahren zeigte er sich als ein aktiver Vertreter der römisch-katholischen liturgischen Bewegung, was zu einer Freundschaft mit deren bekannten Förderern Abt Ildefons Herwegen OSB von Maria Laach und Prof. Dr. Johannes Pinsk in Berlin führte. So feierte er 1936 ein erstes Mal die Ostervigil mit seiner Gemeinde. Auch mit der Orthodoxen Kirche beschäftigte er sich schon in dieser Zeit.[4]

Von 1945 bis 1947 war Alfons Studentenpfarrer in Paris und von 1946 bis 1948 stellvertretender Generalvikar für ausländische Katholiken in Frankreich. In diesen Jahren war es auch Vizepräsident des Zentrums „Istina“ und machte regelmäßige Besuche bei Studienfreunden in Rumänien.

„Seine aus reifer theologischer Überlegung begründete Konversion zur Orthodoxie hatte seiner verheißungsvollen kirchlichen Laufbahn im römisch-katholischen Pariser Erzbistum ein vorzeitiges Ende gemacht“.[5] Nach einem längeren Prozess konvertierte der römisch-katholische Pfarrer Heitz zur Orthodoxen Kirche und wurde am 24. Juni 1948 in die Orthodoxie aufgenommen. Unmittelbar danach heiratete er Ilena Aleksandrovna Gregorian, einer Emigrantin, die einer alteingessenen armenischstämmigen Moskauer Familie entstammte.

Am 1. März 1949 wurde Heitz zum Priester für die französischsprachigen Gläubigen des Moskauer Patriarchats in Paris geweiht. Diese Weihe war in der Folge vielfach Anlass der Diskussion, da Heitz ja bereits eine römisch-katholische Priesterweihe empfangen hatte, die im Allgemeinen von der Orthodoxen Kirche als gültig angesehen wird. So gab es denn auch mehrere Versionen über den genauen Charakter seiner jetzigen orthodoxen Weihe: Nach der einen habe er keine neue Weihe erhalten, sondern sei lediglich in einem Ritus, der sich an den anlehnte, mit dem in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts Priester, die sich dem Erneuerertum angeschlossen und dann reumütig in die Orthodoxie zurückgekehrt waren, wieder in ihr Amt eingesetzt wurden. Andere behaupteten, es habe sich um eine vollständige orthodoxe Weihe (Cheirotonie) gehandelt, wobei Heitz vom damaligen Archimandriten (späteren Bischof von Meudon und dann Erzbischof von Düsseldorf) Alexij (van der Mensbrugghe)[6], der zu dieser Zeit Lehrer am französischsprachigen orthodoxen Seminar in Villemoisson-sur-Orge war, um den Altar geführt wurde. Außerdem existiert die Version, dass Heitz sich von Rom laisieren lassen und dann geheiratet habe, also als Laie in die Orthodoxie aufgenommen worden sei. Aus heutiger Sicht lässt sich nicht mehr mit Sicherheit entscheiden, welche dieser Versionen, deren Vertreter sich alle auf Sergius Heitz selbst als Quelle berufen, wirklich stimmt. Sicher ist: Der neu verheiratete Vater Sergius amtierte ab 1949 als orthodoxer Priester.

Er wurde in den folgenden Jahren zusammen mit Priester Alexandre Troubnikoff (1908-1988) Herausgeber der orthodoxen Zeitschrift „Dans l’Esprit et la Verite - Bulletin pour les chrétiens orthodoxes des pays de langue française (périodique mensuel)“ und Dozent am Institut Orthodoxe Saint-Denis (Patriarchat Moskau); an dem neben Bischof Aleksij von Meudon auch der bekannte Theologe Vladimir Lossky wirkte.

Seinen priesterlichen Dienst übte er allerdings nicht in Paris aus, sondern seit Herbst 1949 als Hausgeistlicher in Rueschlikon / Zürich, um die Beziehungen zur Römisch-Katholischen Kirche nicht zu belasten. Im Mai 1950 erfolgten die Geburt und der baldige Tod des Sohnes Sergius. Im Herbst 1950 kehrte die Familie Heitz zurück nach Paris, da die Schweiz keine dauernde Aufenthaltsgenehmigung erteilte. 1952 wurde seine Tochter Olga in Paris geboren, die heute als Mitarbeiterin im Institut „Glaube in der 2. Welt“ in der Schweiz arbeitet. Eine feste Pfarrstelle hatte er dort nicht, wirkte aber vor allem als Seelsorger für die orthodoxen Rumäne in deren Pariser Kirche (9 bis, rue Jean de Beauvais), wo er beispielsweise 1950 die Weihnachtsliturgie hielt. Offensichtlich war Vater Sergius zu dieser Zeit bereits vom Moskauer Patriarchat in die rumänische Exilkirche übergewechselt.

1956 riet der - jüngst kanonisierte - Erzbischof Ioann (Maksimovic, 1896-1966) von Shanghai (und später San Francisco), damals Bischof der Russischen Kirche im Ausland in Versailles, Priester Heitz nach Deutschland überzusiedeln. Dies tat er dann im ausdrücklichen Auftrag des emigrierten rumänischen Metropoliten Vissarion (Puiu, 1879-1964) von Cernăuţi (Cernovcy / Bukowina), der damals im Pariser Exil weilte und dessen Jurisdiktion sich Heitz unterstellt hatte. Die Diözese von Metropolit Vissarion, die anschließend von Bischof Teofil (Ionescu) geleitet wurde, gehörte zu dieser Zeit als „Rumänische Orthodoxe Kirche im Ausland“ zur Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland.

In Düsseldorf, seinem neuen Wohnsitz, gründete Heitz - nach einem kürzeren Aufenthalt in Hagen - daraufhin eine deutschsprachige Gemeinde. Dazu hatte ihm im November 1955 Metropolit Vissarion den Segen gegeben, „sich im Lande Nordrhein-Westfalen niederzulassen mit dem Auftrag sich un die spirituellen Bedürfnisse der orthodoxen Rumänen zu kümmern“ 1958 feierte die neu gegründete Gemeinde in Düsseldorf ihre erste Osternacht in der historischen, 1660 vollendeten so genannten Jan-Wellem-Kapelle an der Fährstrasse 95 unweit des Rheins. Sie ist somit die älteste orthodoxe Gemeinde in der Hauptstadt Nordrhein-Westfalens.[7] „Die Gemeinde sammelt orthodoxe Christen verschiedener Herkunft, Griechen, Libanesen, Russen, Rumänen, Serben u.a. und in zunehmender Zahl Deutsche und Deutschstämmige, welche in die Fülle der ungeteilten Göttlichen Tradition eingetreten sind.“ [8]

Seit 1962 publizierte Heitz über zwei Jahrzehnte die Zeitschrift „Orthodoxie aktuell“ sowie einen deutschsprachigen „Orthodoxen Kirchenkalender“. 1966 wurde er aus Anlass der Herausgabe des Buches “Der Orthodoxe Gottesdienst Bd.1: Göttliche Liturgie und Sakramente“, Mainz (Matthias Gruenewald Verlag 1966) zum Erzpriester erhoben. Diese für den liturgischen Gebrauch bestimmte Publikation enthält alle Formulare der eucharistischen Liturgie (einschließlich der des hl. Jakobus des Herrenbruders) mit den meisten Lesungstexten und vielen wechselnden Teilen sowie die Ordnungen der sieben Sakramente. Da es sich um die erste derart kompakte orthodoxe Textausgabe dieser Art seit dem Wirken von Erzpriester Aleksij Mal’cev zu Beginn des Jahrhunderts handelte, wurde sie einerseits mit großem Interesse aufgenommen, andererseits aber wegen einiger eigenwilliger Übersetzungen (etwa statt des im Deutschen gebräuchlichen „in die Ewigkeit der Ewigkeiten“ hier „in die Äonen der Äonen“) auch kritisiert.

Außer der Zeitschrift „Orthodoxie heute“ publizierte er in diesen Jahren die nicht nur an Mitglieder der Gemeinde, sondern auch an deren zahlreiche Freunde versandten „Parochie-Briefe“ [9] bzw. die umfangreicheren „Parochialen Monatsblätter“,[10] die seit 1987 den Obertitel „Die Fähre“ trugen, außerdem gab er zwei Jahrzehnte lang einen deutschsprachigen „Orthodoxen Kirchenkalender“ heraus.[11]

1969 begann Erzpriester Sergius mit dem – wie er selbst bekannte - trotz aller Enttäuschungen und Mühen bis zu seinem Ableben engagiert durchgehaltenen orthodoxen theologischen Unterricht an Samstagen in Düsseldorf, zuerstt in einer Privatwohnung, dann in der Trapeza der Fährstraße, der Ellerstraße und zuletzt im Alexianerkrankenhaus. Aus diesen Kursen sind mehrere heute im deutschsprachigen Raum wirkende Geistliche hervorgegangen, so u.a. Erzpriester Chrysostomus Pijnenberg (Wien), Erzpriester Stefan Bakker oder Pfarrer Johannes Nothhaas (Mainz). 1970 konnte er eine den hll. apostelgleichen Konstantin und Helena geweihte Tochtergemeinde in Köln errichten.

Als 1970 / 71 das Moskauer Patriarchat eine neue Diözese von Düsseldorf und Nordwestdeutschland mit dem alten Freund von Vr. Sergius, Erzbischof Aleksij (van der Mensbrughe) als Oberhirten errichtete, wechselte Erzpriester Heitz erneut zum Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats über. Somit nahm er auch im Mai 1972 als Vertreter der Geistlichkeit der Düsseldorfer Diözese am Landeskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche in Moskau teil, wo ihm der neugewählte Patriarch Pimen (Izvekov) das Recht zum Tragen der Mitra verlieh. 1973 gründete Erzpriester Sergius eine „Orthodoxe Fraternität für die deutschsprachigen Gemeinden“, die bis heute existiert und in seinem Geist weiterwirkt. In diesen Jahren war Vater Sergius auf zahlreichen orthodoxen und ökumenischen Tagungen als Teilnehmer und Referent tätig. Dabei vertrat Erzpriester Heitz die orthodoxen Positionen und erläuterte sie in zahllosen Vorträgen, wobei er „stets mit berechtigter Vehemenz gegen den modernen Neoarianismus des zeitgenössischen anthropozentrischen Humanismus und seine horizontale ‚Theologie' ins Feld zieht, die in bedrohendem Maße zu einer Selbstzersetzung der westlichen Kirche führte“,[12] wie es in der Laudatio des Kirchenvorstandes (Epitropie) der Gemeinde zum 70. Ge burtstag ihres Pfarrers heißt.

Doch schon bald verließ Heitz das Moskauer Patriarchat wieder und wechselte 1974 / 75 nunmehr in das Exarchat des Ökumenischen Patriarchats für die russischen Gemeinden in Westeuropa über. Diesen erneuten Jurisdiktionswechsel begründete der Erzpriester damit, dass „Erzbischof Alexis dem Gemeindeverein eine Satzungsänderung aufzwingen wollte, die die Gemeinde völlig entmündigt und politischer Willkür preisgegeben hätte durch drohende Registrierung und Meldung der Gemeindemitglieder nach Moskau und exklusive Verfügungsgewalt über die Finanzen durch den Erzbischof“. Nach Aussagen anderer Zeitzeugen spielten aber wohl auch andere Gründe eine Rolle, nämlich die Frage nach der eigentlich entscheidenden Kraft in der jungen Diözese, die im Grunde ja nur aus zwei Gemeinden bestand, nämlich der von Erzpriester Heitz geleiteten und der von ihm gegründeten Kölner. So erklärte Erzbischof Aleksij die Auseinandersetzung damit, dass „der Erzpriester alles entscheiden will und mich nur als Galionsfigur gebraucht“. Wie dem auch sei: Die Düsseldorfer Gemeinde folgte ihrem Pfarrer weitgehend, wenn auch nicht vollständig ins Ökumenische Patriarchat, die Kölner blieb dem Moskauer Patriarchat treu.

Die vielfältigen Aktivitäten ihres Pfarrers würdigt die Gemeinde in ihrer Festschrift mit den Worten: „Trotz vieler Schwierigkeiten (‚durch Feuer und Wasser', Ps. 66) legt er [Heitz] ... die Fundamente für eine lebendige Orthodoxie im deutschsprachigen Raum und trägt durch seine dankbar empfangene priesterliche, schriftstellerische und lehrende Tätigkeit dazu bei, das Licht der Orthodoxie zu einem An­ziehungspunkt im hiesigen Raum und darüber hinaus werden zu lassen.“[13]

In den folgenden Jahren widmete sich Erzpriester Heitz verstärkt der publizistischen Tätigkeit. So erschien – zuerst als Supplement der Zeitschrift „Orthodoxie Heute“[14] - die erste Auflage von „Christus in euch: Hoffnung auf Herrlichkeit - Orthodoxes Glaubensbuch für erwachsene und heranwachsende Gläubige“, das Sergius Heitz zusammen mit der damaligen Professorin für Kirchengeschichte an der (evangelischen) Kirchlichen Hochschule Wuppertal Susanne Hausammann erarbeitete und das später ins Niederländische, Französische und Bulgarische übersetzt wurde. 1986 erschien dann eine bearbeitete und neu gegliederte Auflage seines Liturgikons unter dem Namen „Mysterium der Anbetung, Bd. 1: Göttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche“ bzw. 1988 „Bd.. III: Die Mysterienhandlungen der Orthodoxen Kirche und das tägliche Gebet der Orthodoxen Gläubigen“, im Kölner Luthe-Verlag. Wie bei anderen Publikationen war auch hier sein Freund, der Kölner römisch-katholische Studentenpfarrer Msgr. Dr. Wilhelm Nyssen (1925-1994), bei der Suche nach Drucklegungsmöglichkeiten hilfreich tätig. Der geplante zweite Band mit Texten aus den Minäen ist allerdings nie erschienen. Nach dreijähriger Unterbrechung konnte auch eine neue Folge von „Orthodoxie Heute“ (bis zum 16. Heft, 1991/II) veröffentlicht werden.

Am 6. August 1992 stellte Erzpriester Heitz ein Gesuch um die Wiederaufnahme in das Patriarchat Moskau mit der Begründung, dass einerseits durch die neue politische Situation die damalige Bedrohung vorüber sei und zudem die deutschsprachige Orthodoxie im Patriarchat Moskau besser aufgehoben erscheine, da andere Jurisdiktionen mehr an der Pflege ihres eigenen kulturellen Erbes interessiert seien. Im Oktober 1992 erfolgte dann auch durch Vermittlung von Erzbischof Longin (Talypin) von Klin die erneute Aufnahme ins Patriarchat Moskau. Diesmal allerdings verweigerte die Gemeinde in der Fährstraße Pfarrer Heitz größtenteils die Gefolgschaft und blieb – wie auch der zweite Priester der Pfarrei – im Ökumenischen Patriarchat, dem sie bis heute angehört (seit Anfang 2008 in der Kirche des hl. Nikolaus in Düsseldorf-Wersten).

Doch trotz seines Alters von 84 Jahren hatte Erzpriester Heitz noch die Energie, eine neue Gemeinde zu gründen, diesmal auf der anderen Rheinseite: Mit Unterstützung durch den damaligen Diakon (jetzt: Erzpriester) Stefan Gross, den späteren Diakon Damian Langenscheidt (beide Bulgarische Metropolit von West- und Mitteleuropa) und Priester Johannes Nothhaas (Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche / Moskauer Patriarchat) sowie eines kleineren Teils der Gemeindemitglieder aus Düsseldorf entstand die neue Gemeinde „Hl. Michael und hll. Körperlose Mächte“, zuerst in der Korneliuskapelle und dann im Alexianer-Krankenhaus in Neuss.

1994 erschien die verbesserte und erweiterte Neuauflage von „Christus in euch: Hoffnung auf Herrlichkeit“ in Zusammenarbeit mit der serbischen orthodoxen Mönchsskite des hl. Spyridon in Geilnau-Lahn in Göttingen (im Verlag Vandenhoek und Rupprecht), von der posthum noch eine dritte Auflage 2002 publiziert wurde (ISBN 978-3-525-56832-3) und die bis heute eine wichtige Einführung in den orthodoxen Glauben darstellt. Inhaltlich liegt das „Glaubensbuch“ auf sehr hohem Niveau; dies ist zugleich seine Stärke wie auch seine Schwäche: seine Stärke, weil theologische Sachverhalte recht differenziert dargestellt werden, seine Schwäche, weil es damit für viele Gläubige oder Interessierte in manchen Passagen relativ schwer verständlich sein dürfte. Dabei setzt das „Glaubensbuch“ vielfach eine gewisse Kenntnis der Theologie voraus - nicht nur der orthodoxen, sondern auch der westlichen. Denn durch das ganze Buch zieht sich daher eine deutliche Auseinandersetzung mit der evangelischen und noch mehr mit der römisch-katholischen Theologie, vor allem der Scholastik; z.T. wirkt dies allerdings fast apologetisch.

Beigesetzt wurde Erzpriester Sergius Heitz am 13. Oktober 1998 auf dem Friedhof von Düsseldorf-Wersten. Dem Totengottesdienst stand Erzbischof Feofan (Galinskij) von Berlin und Deutschland vor, dem mehrere Priester und Diakone assistierten.

Nunmehr, zehn Jahre nach seinem Hinscheiden, stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Wirkens von Vater Sergius. Eine eindeutige Antwort will schwer fallen, zumal ein Großteil seiner Tätigkeit in eine Zeit fiel, in der die kleinen orthodoxen Gemeinden in Deutschland in der Regel als winzige Inseln in einem nicht-orthodoxen Land erscheinen mussten. Entsprechend war der Anteil der deutschsprachigen Konvertiten zahlen- und bedeutungsmäßig viel größer als heute (die Nordwestdeutsche Diözese des Moskauer Patriarchat bestand fast ausschließlich aus ihnen!), da viele Tausende orthodoxer Migranten aus Russland, der Ukraine, aus Rumänien und Bulgarien wie anderen Ländern eine neue (zumindest mittelfristige) Heimat in Deutschland gefunden haben. Wer hätte 1958 erahnen können, dass fünfzig Jahre später allein 14.000 orthodoxe Georgier in Deutschland leben und insgesamt mehr 1,3 Millionen orthodoxer Christen? Unter ihnen machen die einheimischen Deutschen nur noch einen ganz geringen Prozentsatz aus – und von den Gemeinden, in denen Erzpriester Sergius wirkte, haben zwei inzwischen einen ganz bis überwiegend russischen Charakter erhalten. Lediglich seine „Urgemeinde“ ist weiterhin erklärtermaßen deutschsprachig.

So wird man sagen können, sein Traum von einer deutschsprachigen, gar deutschen Orthodoxie ist (bislang zumindest) nicht Wirklichkeit geworden – und sicher hat er die Bindungen der meisten geborenen Orthodoxen an ihre nationale Kultur und die damit verbundene Ausformung der orthodoxen Lebensweise auch nicht genügend verstanden, zumindest unterschätzt. Trotzdem bleibt positiv festzuhalten, was er immer wieder aufgewiesen hat, dass die Orthodoxie auch in einem Diaspora-Land auf die Dauer kein exotischer Fremdkörper sein kann, sondern sich hier verwurzeln wird und muss. Es war wohl die Tragik von Erzpriester Heitz, dass er diese Entwicklung, die mit ziemlicher Sicherheit in der nächsten und übernächsten Generation zumindest auf vielen Feldern eintreten wird, zu sehr forcieren wollte und damit seine Initiativen oft für die Gesamtentwicklung der Orthodoxie in Deutschland eher marginal blieben.

Doch der Herr schaut bekanntlich nicht auf den Erfolg, sondern auf die ehrlichen Intentionen des aufrichtigen Herzens … Und in diesem Sinne gebührt Vater Sergius sicher ein „Ewiges Gedenken!“


  • Außer auf eigenen Recherchen und Erinnerungen basieren die biographischen Angaben in diesem Artikel im Wesentlichen auf dem Nachruf der „Orthodoxen Fraternität!“ zum Tode von Erzpriester Sergius (http://www.orthodoxfrat.de/seite3.htm), der seinerseits wieder weitgehend auf eigenen Aussagen von Vr. Sergius beruht.

Einzelnachweise

  1. S. Heitz, Orthodoxie hierzulande, in heutiger Zeit?, in: Orthodoxe Parochie zu den heiligen Erzengeln - Parochiale Monatsblätter für den Monat Juni 1983, Düsseldorf, S. 11 f.; vgl. auch seinen Beitrag „Orthodoxie und Mission“ als Beilage zu den Parochialen Monatsblättern vom November 1983, wo Erzpriester Heitz erneut den Auftrag der Orthodoxen Kirche „auf dem heute sog. ökumenischen Feld“ hervorhebt, aber auch warnt: „Es sei auch betont, dass wir Orthodoxe keinen Anlass zu einem Triumphalismus haben, zumal wir die Gabe Gottes ‚in zerbrechlichen Gefäßen' tragen und sie allzuoft verraten.“ Ferner: S. Heitz, Orthodoxie und Mission, in: Orthodoxe Orientierung - Zehn Jahre Orthodoxe Fraternität in Deutschland, o.O. u. o.J. [Köln 1989], S. 38 f.
  2. Orthodoxe Gemeinde zu den hl. Erzengeln, Parochiebrief Nr. 45 vom 19. Januar 1976 (Zeichensetzung im Original).
  3. So Erzpriester Heitz in einem Vortrag bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing im Mai 1990 „Zur Lage und Aufgabe der orthodoxen Diasporagemeinden“, publiziert in: Orthodoxie heute, NF Nr. 12, Düsseldorf 1989, S. 6-9.
  4. Ein früher literarischer Niederschlag dieses Interesse ist der Aufsatz: Alfons Heitz, Wiederbegegnung von Ost und West in der Una Sancta, in: J. Tyciak / G. Wunderle / P. Werhun [Hrsg.], Der Christliche Osten - Geist und Gestalt, Regensburg 1939, S. 369-383.
  5. Orthodoxe Parochie zu den heiligen Erzengeln, Einladung und Festbrief zur Feier des zwanzigjährigen Bestehens unserer Parochie am 11. Juni 1978, S. 3; vgl auch: Orthodoxe Parochie zu den hl. Erzengeln - Parochiebrief Nr. 52 zum Fest am 29. August 1978, S. 2.
  6. Aleksij (Albert) van der Mensbrugghe (9.7.1899-26.5.1980) stammte aus Saint-Nicolas in Belgien, war zuerst (unter dem Namen P. Maurus) Benediktinermönch der Abtei Mont-César in Louvain. 1925 zum Priester geweiht, konver tierte er 1929 in Paris bei Metropolit Evlogij (Georgievs kij) zur Orthodoxie. 1960 wurde er zum Bischof von Meudon geweiht, 1968 Bischof (1970 Erzbischof) von Philadelphia und Vikar der New Yorker Diözese. 1971 wurde er erster Oberhirte der neu errichteten Düsseldorfer Diözese, die er bis 1979 leitete; vgl. seine ausführliche Biographie im Nekrolog: N. Ton [Thon], Vysokopreosvjaščennyj archiepiskop Aleksij, byvšij Djussel'dorfskij, in: Žurnal Moskovskoj Patriarchii, No 11, Moskau 1980, S. 18-20.
  7. Vgl. zur Geschichte der Gemeinde die von der Epitropie (Kirchenpflege) der Parochie edierte kleine Festschrift: Sergius-Günther Hilpisch, 25 Jahre Orthodoxe Parochie zu den Heiligen Erzengeln (Jan-Wellem-Kapelle) Düsseldorf-Hamm, Fährstraße 95, Düsseldorf o.J. (1983).
  8. Ebd., S. 3.
  9. Zwischen Ostern 1966 (Parochie-Brief Nr. 6) und Ostern 1980 (Parochiebrief Nr. 55) sind fast 50 dieser „Briefe zu den Festmysterien“ mit Betrachtungen zu den jeweiligen Festzeiten und kurzen Informationen zu den wichtigsten Ereignissen des Gemeindelebens erschienen.
  10. So die neue Benennung ab 1981 für die nun monatlich er scheinenden Blätter, die ein ausführliches Kalendarium, kurze Betrachtungen zu den Sonn- bzw. Festtagen und Pfarrnachrichten verbinden.
  11. Später wurde das ausführliche, auch westliche orthodoxe Heilige berücksichtigende Kalendarium in den „Parochialen Monatsblättern“ weitergeführt.
  12. Festbrief zur Feier des zwanzigjährigen Bestehens, a.a.O., S. 5.
  13. Festschrift, a.a.O., S. 3.
  14. Alte Folge 1962-1982; Neue Folge seit 1986 (bislang bis zu Nr. 15).

Quelle & Copyright

Orthodoxie Aktuell, Jahrgang 2008, Heft 10

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