Neujahrstag
a) am 1. September
Das Erste Ökumenische Konzil von Nikäa im Jahr 325 bestimmte, das am 1. September das Kirchenjahr beginnen sollte. Der Monat September war für die Hebräer der Beginn der bürgerlichen Jahresrechnung (Ex 23,16); der Monat, an dem man die Ernte einbrachte und Gott dafür dankte. Zu diesem Fest betrat Jesus die Synagoge von Nazareth (Lk 4,16-21), öffnete das Buch des Propheten Jesaja und las die Worte: Der Geist des Herrn ruht auf Mir, denn der Herr hat Mich gesalbt. Er hat Mich gesandt, damit Ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit Ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit Ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe (Jes 61,1-2).
In Russland wurde der Neujahrstag früher am 1. September gefeiert. Im alten russischen Evangelium von Ostromirow lesen wir: "1. September. Neujahr. Anfang der Indictio". Der Gottesdienst zum Neujahrstag findet sich bei den Griechen schon im 11. Jahrhundert. Nach Russischen Handschriften aus dem 14.Jahrhundert wurde der Gottesdienst außer in Moskau, Nowgorod und Kiew auch in vielen anderen russischen Städten und besonders in den Klöstern vollzogen.
b) am 1. Januar
In Folge der auf Befehl des russischen Zaren Peter I. geschehenen Verlegung des Jahresbeginns auf den 1. Januar im Jahre 1700 wurde dieser Ritus zum letzten Male in Gegenwart Peters am 1. September 1699 vollzogen. Die Feier bestand in einem Kreuzgang auf einen Platz außerhalb der Kirche, mit Gesängen, Antiphonen, Lesung von Paremien und des Evangeliums, entsprechenden Gebeten und öffentlicher Beglückwünschung des Zaren auf dem Platz.
Der griechisch-orthodoxe Ritus, Vorbild des Russischen, geschah in folgender Weise: Nach Ankunft der Prozession auf dem Platz wurde unter dem Gesang des Trisagion, die Große Ektenie gesprochen, worauf drei Antiphonen aus den ersten Psalmen folgten. In der Ektenie wurde nach der Bitte für unseren gottesfürchtigsten Zaren eingeschoben: "Auf dass diese Stadt unerschüttert, unverbrannt und unbefleckt von Blut bewahrt werden möge, ... lasset uns beten zum Herrn." Nach Beendigung der Ektenie segnet der Bischof das Volk dreimal, spricht die Anrufung und setzt sich nach dem Amen auf den Thron. (Liturgischen Lesungen: 1 Tim 2,1-6; I,17; Lk 4,16-22).
Am Schluss der Ektenie segnet der Bischof das Volk wieder dreimal und spricht das Gebet der Hauptbeugung. Das Volk singt das Troparion: "Der ganzen Schöpfung Bildner..." und begeben sich zur Chalkopratia, d. h. einem der berühmtesten Tempel der Gottesmutter, der im 5. Jahrhundert in Konstantinopel erbaut worden war. Dort feierte man die Liturgie.
Die drei bekanntesten russischen Formulare, jener des Moskauer Euchologions (Trebnik) von 1659 und 1651, der Nowgoroder Sophien-Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert und des Euchologions (Trebnik) des Metropoliten Petro Mohylas von 1646, bilden eine weitere Ausführung des vorbeschriebenen Ritus und haben inhaltlich große Ähnlichkeit mit dem Bittgottesdienest (Moleben), welches jetzt in der Russischen Orthodoxen Kirche am 1. Januar gefeiert wird. (vgl. "Bitt-, Dank- und Weihe-Gottesdienste", Berlin 1897, Seite 643)