Leo von Optina

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Heiliger Ehrwürdiger Lew von Optina
Die Einsiedelei von Belyje Berega.jpg
Das Optina-Pustyn-Kloster

Gedächtnis: 11. Oktober (Synaxis der Starzen von Optina)

Heiliger Ehrwürdiger Lew von Optina

Vater Lew (Leo), der erste Starez, der zum Starzentum (geistliche Leitung und Seelsorge) im Optina-Pustyn-Kloster (der Optina-Einsiedelei) gewählt wurde, wurde 1768 in Karatschew geboren und arbeitete zunächst als Handlungsgehilfe, wodurch er viel Kontakt mit Kaufleuten hatte. Während seiner langen Geschäftsreisen begegnete er Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft und wurde so zu einem intimen Kenner der verschiedenen Sitten und Gebräuche. Diese Erfahrungen kamen ihm während der Zeit seines Starzentums sehr zugute, als ihn die unterschiedlichsten Leute, gebildete und ungebildete, aufsuchten und ihm ihre Herzen ausschütteten.

Vater Lew begann sein Leben als Mönch im Optina-Pustyn-Kloster, zog aber dann in die Einsiedelei von Belyje Berega, wo er sich unter der Führung von Vater Wassili, dem berühmten Asketen aus Athos, in den mönchischen Tugenden übte – Gehorsam, Geduld und verschiedenen anderen Disziplinen. Hier durchlief Vater Lew seine spirituelle Laufbahn unter dem Namen Leonid. Später verbrachte er einige Zeit im Tscholnski-Kloster, wo er Vater Feodor begegnete, einem Schüler von Hl. Paisij Welitschkowski, und wurde sein treuer Gefolgsmann. Der Starez Feodor unterrichtete Vater Leonid in der höchsten mönchischen Disziplin, der „Wissenschaft der Wissenschaften und Kunst der Künste“, wie die Übung des pausenlosen Gebets genannt wird, und in Techniken, durch die das Herz von Leidenschaften gereinigt wird. Hier traf Vater Leonid auch den Abt Philaret, den späteren Metropoliten von Kiew. Diese Begegnung sollte später noch sehr bedeutsam für ihn sein.

Hiernach wurde Vater Leonid zum Abt der Einsiedelei von Belyje Berega ernannt, und Vater Feodor, unter dessen Anleitung Vater Leonid fast 20 Jahre zugebracht hatte, ging mit ihm. Ihnen gesellte sich noch ein weiterer Asket und Schüler von Hl. Paisij bei, Vater Kleopa. Im Jahr 1808 zog sich Vater Leonid vom Amt des Abtes des Klosters zurück und zog in die Wälder, um dort in einer Gemeinschaftszelle mit den Vätern Feodor und Kleopa zu leben. Hier wurde er in asketischer Einsamkeit und Schweigen zum Schema-Mönch mit dem Namen Lew.

Die drei Mönche wurden aber durch den neuen Abt des Klosters aus ihrer Einkehr gerissen, denn die Menschen strömten in Scharen herbei, um sie zu sehen. Es folgten viele Jahre der Wanderschaft von Kloster zu Kloster, und nach dem Tod von Vater Feodor verbrachte Vater Lew einige Zeit in der Einsiedelei von Ploshchanskoje, wo er Vater Makarij (Makarios) begegnete, seinem künftigen Helfer beim Starzentum der Einsiedelei Optina und späterem Nachfolger.

Schließlich kehrte dieser Begründer der spirituellen Schule, die ein ganzes Gestirn späterer Starzen erbrachte, 1829 in die Einsiedelei nach Optina zurück. Vater Lews Verdienste liegen aber nicht nur in der Begründung der Starzentums; er war bis zum jähen Ende der blühenden Optina Pustyn Vorbild für Generationen von Starzen im ganzen Land.

Als Vater Lew nach Optina kam, stand er am Ende seines Lebens. Er war von großer Statur, majestätisch; in seiner Jugend hatte er über legendäre Kräfte verfügt und hatte sich trotz seiner Leibesfülle auch im hohen Alter eine bestimmte Anmut und Leichtigkeit der Bewegung erhalten. Sein außergewöhnlicher Verstand, gepaart mit Hellsichtigkeit, erlaubte es ihm, die Leute genau zu durchschauen. Seine Seele war erfüllt von unermesslicher Liebe und Mitleid für die Menschheit. Dennoch war sein Handeln zuweilen streng und heftig. Vater Lew kann nicht mit normalsterblichen Maßstäben beurteilt werden, denn auf der spirituellen Stufe, die er erreichte, wirkt der Asket im Einklang mit Gott. Statt sich auf langwierige Überzeugungsarbeit einzulassen, erschütterte er die Menschen manchmal ganz direkt und ließ sie ihre Irrtümer erkennen und spüren, und auf diese Weise nutzte er sein spirtuelles Skalpell, um die eiternden Geschwüre zu öffnen, die sich in den vergifteten Herzen der Menschen gebildet hatten, und es flossen Ströme von Reuetränen. Als spiritueller Seelenkundler wusste der Starez, wie er sein Ziel erreichen konnte. Hier ein Beispiel: in der Nähe von Optina lebte ein bestimmter Grundbesitzer, der prahlte, er würde Vater Lew sofort durchschauen, sobald er ihn zu Gesicht bekäme. Eines Tages kam dieser Mann zu dem Starez, als eine große Menschenmenge um diesen versammelt war, und als der Mann eintrat, sagte Vater Lew: „Schaut euch diesen Tölpel an! Er ist gekommen, um den sündhaften Lew zu durchschauen; dabei hat dieser Schurke selbst seit 17 Jahren weder die Beichte noch die Kommunion mitgemacht.“ Der Grundbesitzer fing an zu zittern wie Espenlaub, und dann bereute und klagte er, dass er wahrlich ein Sünder sei und tatsächlich seit 17 Jahren weder die Beichte abgelegt noch an den heiligen Mysterien teilgenommen habe.

Dann gibt es noch den Fall des Mönches aus Athos, der Vater Lew besuchte. Der Mönch war wie ein Laie gekleidet, aber Vater Lew erkannte in ihm den Mönch aus Athos. Später kamen drei Frauen tränenüberströmt herbei und brachten eine vierte mit sich, die den Verstand verloren hatte, und sie baten den Starez, für ihre kranke Freundin zu beten. Der Starez nahm sein Epitrachelion, legte dessen Ende und seine Hände auf den Kopf der kranken Frau, und nachdem er ein Gebet gesprochen hatte, schlug er dreimal das Zeichen des Kreuzes über ihr und befahl, sie in die Pilgerherberge zu bringen. Als der Mönch den Starez am nächsten Tag wieder besuchte, kam auch die kranke Frau vom Vortag dazu, die wieder ganz gesund war. Der Mönch erschrak darüber, dass der Starez diese Heilung vollbracht hatte, ohne daran gedacht zu haben, dass ihm dies möglicherweise einen Schaden bereitet könnte, und der Starez sagte: „Ich habe dies nicht aus eigenem Vermögen getan, sondern es geschah durch ihren Glauben und das Wirken der Gnade des Heiligen Geistes, die mir gewährt wurde; ich selbst bin nur ein sündhafter Mensch.“

Zahllos waren die Wunder, die der Starez vollbrachte. Eine Schar Bettler umringte und bedrängte ihn. Ein bestimmter Priestermönch beschrieb, wie er von Koselsk nach Smolensk reiste und in all den entlegenen Dörfern auf dem Weg die Dörfler, als sie erfuhren, dass er aus Koselsk kam, ganz begierig waren, etwas über Vater Lew zu erfahren. Auf seine Frage „Woher kennt ihr ihn denn?“ antworteten sie: „Aber verzeihen Sie, lieber Herr, wie könnten wir Vater Lew nicht kennen? Er ist wie ein liebender Vater für uns arme Leute, und ohne ihn wären wir wahrlich wie Waisen.“

Unglücklicherweise hatten einige Kirchenfunktionäre eine ganz andere Sicht auf Vater Lew, darunter der Diözesanbischof Nikolaj von Kaluga, der der Optina-Einsiedelei große Scherereien machte. Dieser Bischof hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Starez Lew ins Kloster von Solowki zu versetzen. Aber zum Glück sahen viele Hierarchen den Starez in einem anderen Licht. Die beiden Metropoliten mit Namen Philaret – der eine von Kiew, der andere von Moskau – mischten sich intensiv in die Angelegenheit ein; anderenfalls wäre der Starez in ernsthaften Schwierigkeiten gewesen.

Vater Lew starb 1841, nachdem er zwölf Jahre lang Starez in Optina gewesen war und sich diese ganze Zeit über Anfeindungen zu erwehren hatte, teils durch das Missverhältnis mit besagtem Bischof, teils durch den Neid und üble Nachrede durch andere; er stand sogar vor Gericht (wurde aber in allen Punkten freigesprochen), wurde aus der Skite ins Kloster beordert, und seitens des Bischofs wurde ihm sogar verboten, Besucher zu empfangen – aber trotz all dieser Hindernisse wies er in seiner Herzensgüte für die Beladenen nie diejenigen ab, die sich um Hilfe an ihn wandten.

Auf der anderen Seite begegneten ihm der Abt Moses (Moisej) und der Vater Anatoli (Anatolius), der Abt der Skite, stets mit dem größten Respekt und unternahmen nichts ohne seinen Segen.

Anfang September 1841 begannen Vater Lews Kräfte nachzulassen. Am Ende seines Lebens sagte er voraus, dass Russland große Prüfungen und Kümmernisse bevorstünden. Nachdem er sehr schmerzhaft gelitten hatte, entschlief er am 11. Oktober 1841 in Christo. Die weltweite Trauer über sein Dahinscheiden war unbeschreiblich, und in unermesslichen Massen strömten die Menschen zur Bahre des großen Starez.