Keltische Kirche

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Keltische Kirche (oder iroschottische Kirche bzw. keltisches Christentum) war eine im fünften Jahrhundert entstandene Kirche, die vor allem in Irland und den britischen Inseln existierte <ref> Vgl. auch zum Folgenden Peter Huber: Jenseits von Ost und West - Orthodoxe Dimensionen des christlichen Abendlandes, in: St.-Andreas-Bote, Sonderheft, Dezember 2006, S. 10, 11, 13. </ref> und die ab der Synode von Whitby 664 nach und nach untergegangen ist. Spätestens nach der normannischen Invasion 1066 wurden autonome Kirchenstrukturen keltischer und angelsächischer Herkunft vernichtet und eine starke Zentralisierung setzte ein.

Begrifflichkeiten

Der Begriff "Keltische Kirche" wird kaum verwandt und insbesondere von Theologen und Keltologen vermieden, weil von einer einheitlichen Kirche in den Ländern keltischer Sprache nicht die Rede sein kann. <ref> Vgl. auch zum Folgenden Michael Richter: Keltische Kirche, in: Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, hrsgg. v. Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Bd. 4 (I-K), Tübingen 2001, Sp. 921-922. </ref> Ähnlich problematisch ist auch der nur im deutschen Sprachraum verwandte Begriff "iroschottische Kirche", weil die Iren im Frühmittelalter die Scotti waren, während sich im Norden von Britannien die Pikten befanden. Die Scotti waren ein irischer Stamm, von dem ausgehend Irland zu dieser Zeit als Scot(t)ia bzeichnet wurde.

Teilweise wird der Begriff "Keltische Kirchen" im Plural verwandt, <ref> Vgl. Richard Sharpe: Keltische Kirchen, in: Theologische Realenzyklopädie, hrsgg. v. Gerhard Müller in Gemeinschaft mit Horst Robert Balz, Bd. 18 (Katechumenen/Katechumenat - Kirchenrecht), Berlin 1989, S. 85-92. </ref> um zusammenfassend über die Kirchen in den keltischen Gebieten zu sprechen.

Historische Entwicklung

Das keltische Christentum hat im Laufe der Geschichte eine gewisse Entwicklung durchgemacht, von der Entstehung durch eine relativ friedliche Mission bis hin zur praktischen Auflösung bzw. Anpassung an die Gepflogenheiten der Weltkirche.

Verbreitung

Das keltische Christentum existierte in den Kirchen im keltischen Sprachraum, also in den kumerischen Königreichen im Norden Britanniens, Wales und Cornwall in Westbritannien, der Bretagne, in Irland, der irischen Gründung Dál Riata in Schottland und dem Land der Pikten. <ref> Vgl. Richard Sharpe: Keltische Kirchen, in: Theologische Realenzyklopädie, hrsgg. v. Gerhard Müller in Gemeinschaft mit Horst Robert Balz, Bd. 18 (Katechumenen/Katechumenat - Kirchenrecht), Berlin 1989, S. 85-92, hier: 86. </ref>

Besonderheiten aller keltischen Kirchen

  • Die Berechnung des Osterfests wurde nach dem Brauch der Quartodezimaner am 14. Nisan gefeiert, mithin nicht am Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond.
  • Es bestand in der Liturgie ein eigener Ritus, der keltische Ritus, der allerdings untergegangen ist. <ref> Vgl. auch zum Folgenden Andreas Heinz: 5. Keltische Liturgie, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hrsgg. v. Walter Kasper mit Konrad Baumgartner, Bd. 6 (Kirchengeschichte bis Maximianus), 3. Auflage,Freiburg/Basel/Rom/Wien 1997, Sp. 984. </ref> Der keltische Liturgie war der altgallischen sehr verwandt und auch von der Eigenliturgie Spaniens beeinflusst. Sie wurde in England bereits im 7. Jahrhundert durch die Mission der Benediktiner verdrängt und in der Bretagne im 9. Jahrundert verdrängt. Jedoch in Irland hielt sich diese Liturgie bis ins 12. Jahrhundert, also bis zur Synode von Cashel 1172. In Irland hatte diese Liturgie die Besonderheit, dass eine Tendenz bestand, Elemente der römischen Liturgie mit aufzunehmen. <ref> Vgl. John Ryan: Iroschottische Kirchen, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hrsgg. v. Josef Höfer u. Karl Rahner, Bd. 5 (Hannover bis Karterios), 2. Auflage, Freiburg 1960, Sp. 761. </ref>
  • Die Tonsur der Mönche unterschied sich zudem von der Tonsur, die sonst üblich war. Allerdings weiß man heute nicht genau, was daran anders war.

Besonderheiten in Irland und Britannien

Die irisch-keltische Kirche war zu keiner Zeit vom Rest der Kirche völlig isoliert, wie heute oft behauptet wird, <ref> Vgl. auch zum Folgenden Michael Richter: Irland. I. Kirchengeschichte, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 5 (Hermeneutik bis Kirchengemeinschaft), 3. Auflage, Freiburg/Basel/Rom/Wien 1996, Sp. 592. </ref> verfügte aber über viele Eigenheiten. Unter Kirchengeschichtlern verschiedener Konfessionen besteht Einigkeit, dass es eine "romfreie 'keltische' Kirche nie [...] gegeben [hat], so wie es auch im Früh-MA keine jener gegenüberstehende einheitliche röm. Kirche gegeben hat." <ref> Michael Richter: Irland. II. Christentum, in: Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, hrsgg. v. Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Bd. 4 (I-K), Tübingen 2001, Sp. 232. </ref>

  • Die keltische Kirche in Irland war stark durch das Mönchtum geprägt.
  • Im Bereich des geistigen Lebens gab es bestimmten Praktiken, die durch die spezifisch keltische Tradition und Mentalität geprägt waren:
    • Die Lorica, ein Morgengebet bzw. -hymnus.
    • Von keltischen Heiligen wird erzählt, dass sie bei Bedrängnis von Bösem oder dem Angriff von Feinden einen Caim um sich herum zeichneten. <ref> Vgl. auch zum Folgenden David Adam: Segen. Über mir, vor mir, unter mir. Gebetserfahrungen aus dem irischen Segen (= Bibel - Kirche - Gemeinde / Spezial, 2), Konstanz 1993, ISBN 3-7673-7503-6, S. 19. </ref> Dabei malten sie als Ausdruck der wirklichen Gegenwart Gottes mit einem Stock oder dem Zeigefinger einen Kreis in die Erde um sich herum und beteten um die Gegenwart Gottes, speziell einer Person der Trinität.
    • Anam Chara bzw. Amchara (Seelenfreundschaft) nannte man im keltisch-christlichen Raum das (geistige) Verhältnis zwischen einem Gläubigen und einem meist älteren und im Glauben erfahreneren Menschen. <ref> Vgl. auch zum Folgenden Kallistos Ware: Das Jesusgebet. Was ist das Jesusgebet?, in: Hesychia II. Wege des Herzensgebets, herausgegeben von Andreas Ebert, München 2014, ISBN 978-3-532-62461-6, S. 18-54, hier: 39-40. </ref> Kallistos Ware vergleicht diese Praxis mit dem Altvaterprinzip der Orthodoxie, weil sie darin bestehe, den Glaubensweg mit einem "Seelenbegleiter" zu gehen, wie mit einem Starez oder einer Geronta.

Geistliche "Renaissance"

In jüngster Zeit gibt es vielfältige Versuche, die keltisch-christliche Spiritualität wiederzubeleben. So hat die Iona Community <ref> Vgl. zur Ionia Community Wikipedia: Iona Community (Stand: 4. Februar 2015). </ref> z. B. einen ganzheitlichen Ansatz und versucht als Gemeinschaft Anregungen aus der keltischen Spiritualität umzusetzen. Ein Aspekt davon ist die Aufnahme der Praxis des Segens, die im heutigen Christentum selten geworden ist. Man versucht die Gläubigen anzuregen, andere zu segnen und eigene Formulierungen zu finden, z.B. durch "Segensworkshops" unter Einbeziehung klassischer Segenstexte. <ref> Vgl. Ruth Burgess: Irische Segen für heute, Stuttgart 2003, v. a. S. 139-149, 156-158. </ref> Daneben bemüht sich der anglikanische Geistliche David Adam <ref> Vgl. zu David Adam die englische Wikipedia: David Adam (minister) (Stand: 4. Februar 2015). </ref> darum, vor allem im englischsprachigen Raum die keltisch-christliche Spiritualität wiederzubeleben, wobei auch bei ihm die Praxis des Segnens eine wichtige Rolle spielt. <ref> Vgl. David Adam: Segen. Über mir, vor mir, unter mir. Gebetserfahrungen aus dem irischen Segen (= Bibel - Kirche - Gemeinde / Spezial, 2), Konstanz 1993, ISBN 3-7673-7503-6. </ref> Seit einigen Jahren gibt es in den Gebieten, die früher keltisch besiedelt waren, auch Großstadtpfarreien, die die keltisch-christliche Spiritutalität wiederentdeckt haben und intensiv pflegen, weil das bei den Gläubigen gut ankommt. So praktiziert dies etwa die schottische Pfarrei St. Cuthbert in Edinburgh mit großem Erfolg. <ref> Vgl. deren Internetpräsenz (Stand: 25. März 2015). </ref>

Heilige

Literatur

  • David Adam: Der Gott, der uns umgibt. Leben aus der Kraft irischer Spiritualität, Neuenkirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7615-5765-5.
  • Ian Bradley: Der keltische Weg. Keltisches Christentum auf den Britischen Inseln. Damals und heute, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-7820-0732-8.
  • Alexander Carmichael: Das Kreuz in der Sonne. Altkeltische Sprüche und Gebete (= Kaiser-Traktate, 37), München 1978, ISBN 3-459-01175-0.
  • Irisches Gebetbuch, Asslar 2010, ISBN 978-3-942208-13-0.
  • John O'Donohue: Anam Cara. Das Buch der keltischen Weisheit, München 2010, ISBN 978-3423346399.
  • Angela Römer-Gerner: Möge deine Seele voll sein von Leben. Keltische Spiritualität entdecken, Freiburg 2013, ISBN 978-3451306778.
  • Richard Sharpe: Keltische Kirchen, in: Theologische Realenzyklopädie II, Bd. 18, Berlin/New York 2000, S. 85-92.
  • Dieter Trautwein: Heil von den Inseln. Bonifatius und die Iroschotten - neu gesehen. Revision eines Vorurteils (= Bibel - Kirche - Gemeinde / Spezial, 1), Konstanz 1993, ISBN 3-7673-7501-X.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

<references/>