Gottesmutter: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Orthpedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
Theotokos (gr.), Богородица (rus.)
=Die Jungfrau Maria, die Gottesmutter, das lebendige Abbild der Kirche=
=Die Jungfrau Maria, die Gottesmutter, das lebendige Abbild der Kirche=
   
   

Version vom 16. Februar 2010, 17:21 Uhr

Theotokos (gr.), Богородица (rus.)

Die Jungfrau Maria, die Gottesmutter, das lebendige Abbild der Kirche

von Patriarch Daniel*

Mit der Vesper dieses Abends beginnen wir den Feiertag der Geburt der Gottesmutter, an die wir jedes Jahr am 8. September gedenken. Das orthodoxe Kirchenjahr beginnt am 1. September, im Herbst, weil nach der jüdischen Tradition die Geschichte der Menschheit im Paradies zum Herbst begann, zu einer Zeit mit vielen Bäumen voller Früchten. Das Fest der Geburt der Gottesmutter wurde von der Kirche auf den achten Tag des Kirchenjahrs gelegt, weil die Zahl Acht die Ewigkeit oder das Leben ohne Ende symbolisiert.

Die Geburt der Jungfrau Maria von ihren hochbetagten Eltern Joachim und Anna, die sehr viel um ein Kind gebetet haben, ist der grundlegendste Moment der Vorbereitung darauf, dass der Ewige Sohn Gottes in der Geschichte Mensch wird, um den Tod zu besiegen und den Menschen das ewige Leben im Himmelreich zu schenken.

Diese Wahrheit wird ausgedrückt im Troparion, dem Haupthymnus dieses Festes, und zwar dem Troparion der Geburt der Gottesmutter, wenn es heißt: „Deine Geburt, Du Gottesgebärende Jungfrau, kündet der Welt von großer Freude; denn aus Dir ist die Sonne der Gerechtigkeit hervorgegangen, Christus, unser Herr. Und indem er die Verfluchung auflöst, hat er Segen geschenkt; und indem er den Tod besiegt hat, hat er uns das ewige Leben geschenkt.“<ref>Kleine Vesper, Troparion, „Mineul pe septembrie“ (Minäen des September), Bukarest 2003, S. 112.</ref>

Das Geheimnis der Allheiligen Trinität, der Allheiligen Gottesmutter und Mutter der Kirche

Zugleich sehen wir, dass im Gottesdienst der Großen Abendvesper die Gottesmutter „Tempel Christi, Gottes des Herrn, des Herrschers und Schöpfers“<ref>Stichiren von Stefan Aghiopolitos, „Mineul“, S. 113.</ref> genannt wird, wie auch „Heilige Kirche, Stätte Gottes“<ref>Stichiren von Serghie Aghiopolitos, „Mineul“, S. 116.</ref>. Und der Morgengottesdienst des 8. September zeigt, dass die Jungfrau Maria, voll der Gnade, die menschliche Person ist, welche die tiefste und stärkste Verbindung zur Allheiligen Trinität hat (vgl. Lk 1, 35), weil aus ihr der Sohn Gottes menschliche Gestalt angenommen hat, nach dem Willen des ewigen Vaters und in der wirkenden Gegenwart des Heiligen Geistes: „In Dir wird das Geheimnis der Trinität gelobt und angebetet, Du Allreine, denn es hat Gott wohlgefallen, daß das Wort in Dir Wohnung nimmt und die Kraft des Höchsten Dich überschattet hat“<ref>Morgenlob, „Mineul“, S. 123; vgl. Lk 1, 35.</ref>. So wird die Verbindung zwischen der Hochheiligen Trinität (Panaghia Trias) und der Hochheiligen Gottesmutter (Panaghia Theotokos) zum lebendigen Abbild des Lebens der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die wir im Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekennen, unmittelbar nach dem Bekenntnis des Glaubens an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Das Geheimnis der Hochheiligen Jungfrau Maria, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus, wird zum mystischen Abbild der Kirche, denn die Kirche ist die Gemeinschaft aller Menschen, die durch die Heilige Taufe mit der Hochheiligen Trinität vereint sind. So ist die Jungfrau Maria, die Gottesmutter, „voll der Gnade“ und „gebenedeit unter den Frauen“ (Luk 1, 28-42) das Abbild der Kirche, welche aus Gottes Segen existiert und wächst, d.h. aus „der Gnade unseres Herrn Jesus Christus und der Liebe Gottes und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ (2. Kor. 13, 13), wie uns der heilige Apostel Paulus lehrt. Weil die Kirche voll des Lebens und der Liebe der Hochheiligen Trinität ist, wird sie in der Hl. Schrift auch „Volk Gottes“ (1. Petr. 2, 10), „Leib Christi“ (1. Kor. 12, 27) und „Tempel des Heiligen Geistes“ (1. Kor. 6, 19) genannt, und alle sakramentalen Handlungen und Gebete der Kirche werden unter Anrufung des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen. Weil Jesus Christus, der in der Ewigkeit aus dem Vater ohne Mutter und in der Zeit durch die Mutter ohne Vater geboren wurde, das Haupt der Kirche ist, haben wir „durch Ihn (Christus) Zugang zum Vater in einem Geist.“ (Eph. 2,18). Und die Allheilige Jungfrau Maria, die Gottesgebärerin, ist unsere Christus dem Herrn am nächsten stehende Fürbeterin (Oranta) und geistliche Mittlerin (Advocata), wie bei der Hochzeit von Kana (Galiläa), als Christus der Herr, der diese Familie durch Seine Gegenwart gesegnet hat, auf die Bitten Seiner Mutter hin Sein erstes Zeichen vollbracht hat, indem er Wasser in Wein verwandelt und dadurch seinen Jüngern Seine Herrlichkeit offenbart und allen Anwesenden große Freude bereitet hat (vgl. Joh 2, 1-19). „Für die orthodoxe Kirche tritt die Mittlerschaft der Jungfrau und der Heiligen nicht zur Mittlerschaft Christi hinzu, sondern ist in das Innerste dieser Mittlerschaft eingeschlossen“<ref>Alexis Kniazev: „Maica Domnului in Biserica Ortodoxa“ (La Mere de Dieu dans l´Eglise Orthodoxe, Cerf, Paris, 1990), rumänische Ausgabe Humanitas, Bukarest 1998, S. 144.</ref>, d.h. die Mittlerschaft der Gottesmutter und der Heiligen verwirklicht sich in der durch die ihnen von Christus geschenkte Gnade (vgl. Joh 1, 16-17).

Die neue Eva und geistliche Mutter der Christen

Die Allheilige Jungfrau Maria, die Mutter unseres Herrn Jesus Christus, erweist sich uns als „die neue Eva“ und als lebendes Abbild der Kirche Christi, wenn sie unter dem Kreuz Christi des Gekreuzigten steht, aus dessen Seite Blut und Wasser rinnen (vgl. Jo 19, 34), das Symbol der Taufe und der Eucharistie als Sakramente, durch die die Christen am ewigen Leben teilhaben, das Christus Seiner Kirche schenkt.

Vor Seinem Tod am Kreuz weist Christus der Herr Seine Mutter auf Seinen Lieblingsjünger Johannes hin, wenn Er zu ihr sagt: „Frau, siehe, das ist dein Sohn!“ und zu Seinem Jünger „Siehe, das ist deine Mutter!“ (Jo 19, 26-27). So wird die leibliche Mutter Christi zur geistlichen Mutter Seines geliebten Jüngers, und der geliebte Jünger wird zum geistlichen Sohn der Gottesmutter, weil er der treueste Jünger Christi war, der Christus beim letzten Abendmahl am nächsten stand (Jo 13, 23-25), der Christus bis zu Seinem Tode am Kreuz gefolgt ist (vgl. Jo 19, 26), und der erste, der zum Grab Christi gekommen ist am Morgen Seiner Auferstehung (vgl. Jo 20, 4). Durch den „testamentarischen Willen“ Christi wird Seine Mutter zur geistlichen Mutter aller Christen, die Ihm nachfolgen, die das Sakrament der Eucharistie in aller Tiefe als Sakrament des Kreuzes und der Auferstehung Christi leben, als opferbereite Liebe und heilige Freude.

Daher befindet sich in orthodoxen Kirchen über der Ikonostase, dem Symbol der Verbindung zwischen Kirche und Himmelreich, die Ikone des Gekreuzigten Christus, zu Seiner Rechten Seine Mutter, zu Seiner Linken Johannes, Sein Lieblingsjünger. Und im Buch der Apokalypse ist die Gottesmutter als das Abbild der Kirche gegenwärtig im Himmel und auf Erden als „Braut des Bräutigams Christus“, des Lammes Gottes (vgl. Apk 19, 7; 21, 9).

Die heiligen Väter der Kirche glauben, dass die Seele jedes Christen und jeder Christin zugleich Jungfrau und Mutter sein kann, im Blick darauf, dass Christus der Herr die Seligpreisung Seiner Mutter, die Ihn, das Gotteswort, geboren hat, verbindet mit denen, die „das Gotteswort hören und bewahren“ (vgl. Lk 11, 27-28). Die Seele ist Jungfrau, wenn sie Christus treu bleibt, und Mutter, wenn sie Tugenden gebiert durch Umsetzung der Worte oder Gebote Christi. In diesem Sinne ist die Mutter unseres Herrn Jesus Christus das Modell oder das Abbild des geistigen Lebens der Kirche, in der Christus gegenwärtig ist durch die Gnade des Heiligen Geistes (vgl. Gal 2, 20; Eph 3, 16-19; Kol 3, 3).

Die Gottesmutter betet für uns und mit uns

Der Text aus dem Evangelium nach Lukas (1, 46-55) ist in der Ostkirche bekannt als Hymnus der Gottesmutter und in der Westkirche als Magnificat<ref>Sogar der Reformator Martin Luther hat in der Gottesmutter das Vorbild für demütige Gebete für die gesamte Kirche gesehen (s. Martin Luther: „Le Magnificat“, Übersetzung von Albert Greiner, Nouvelle Cité, Paris 1983).</ref>. Dieser Text ist zum Gebet der Kirche geworden, weil die Gottesmutter die Erstbetende ist und ihre Gebete das Gebet der ganzen Kirche unterstützen.

Das Evangelium zeigt uns, dass das Gebet der Allheiligen Jungfrau Maria ihre Antwort auf den Segen Gottes ist. Gott ergreift die Initiative zur Erlösung der Welt durch Seinen Sohn, Der aus der Jungfrau Maria geboren wird, nachdem diese geantwortet hat: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie Du gesagt hast“ (Lk 1, 38).

Die Freude der Jungfrau Maria kommt aus ihrer Gemeinschaft und ihrem Zusammenwirken mit Gott. Ihre Demut als Dienerin des Willens Gottes ist die Grundlage ihres Glücks: „Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, Der da mächtig ist und Dessen Name heilig ist“ (Lk 1, 46-49). Demütig und zugleich voller Mut preist die Jungfrau Maria das Wirken und die Gerechtigkeit des Herrn in der Geschichte als Aufrichten der Niedrigen und Herabstoßen der Gewaltigen vom Thron: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen“ (Lk 1, 52-53). Gleichzeitig bindet das Gebet der Jungfrau Maria den von Gott erhaltenen Segen mit dem über dem Volk Israel ausgegossenen Segen Gottes: „Gott hilft seinem Diener Israel auf wie er geredet hat zu seinen Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit“ (Lk 1, 54-55). Vom Beispiel der Allheiligen Jungfrau Maria lernt die Kirche, Gott für Sein erlösendes Wirken in der Geschichte zu verherrlichen, für die Hilfe, die sie von Ihm bekommt in der Hoffnung auf das ewige Leben. Zugleich lernt die Kirche Christi von der Allheiligen Jungfrau Maria, eine demütige Dienerin Gottes zu sein beim Werk der Erlösung der Menschen, indem sie Demut und Hoffnung vereint, geistiges Leben mit dem Durst nach sozialer Gerechtigkeit und gegenwärtigen Segen mit der zukünftigen Hoffnung. In den orthodoxen liturgischen Gesängen „Geweihter Tempel und Paradies des Wortes“ genannt (Axion, Liturgie des hl. Basileios des Großen), ist die Jungfrau Maria, die Gottesmutter, durch ihre Gebete gemeinsam mit der Kirche die Quelle der Freude und der Hoffnung, die Beschützerin der Jungfrauen und der Mütter, die Patronin der Kinder und Jugendlichen, der Beistand der Alten und der Armen, die Heilerin der Kranken und die Wegweiserin der Orientierungslosen, wie in den Hymnen und Gebeten gesagt wird, die in der orthodoxen Liturgie an sie gerichtet werden. Und die Prophezeiung der Jungfrau Maria: „Siehe, von nun werden mich selig preisen alle Kindeskinder“ (Lk 1, 48) erfüllt sich in der Vielzahl der ihr geweihten Feiertage, in der Fülle der liturgischen Hymnen, der Werke der klassischen Musik wie Ave Maria, im Reichtum der Ikonen und Fresken, die das Antlitz der Jungfrau und Mutter zeigen, in der Menge der Pfarr- und Klosterkirchen sowie Kathedralen, die unter ihrem Schutzpatronat stehen.

Einige der christlichen Gründer der Europäischen Union aus Westeuropa haben sich gewünscht, dass ganz Europa selbst unter den Schutzmantel der Gottesmutter gestellt wird, die eingekleidet sein sollte in ein blaues Gewand und um sich herum zwölf strahlende Sterne tragen sollte wie im Buch der Apokalypse (12,1). Leider wurde diese schöne Idee vergessen, und die blaue Farbe, die die zwölf Sterne in ihrer Mitte trägt, wird heute in einer ausschließlich säkularisierten Perspektive interpretiert, ohne religiösen Hintergrund. Trotzdem werden die Christen Europas viel in geistiger Hinsicht gewinnen, wenn sie nicht das Geheimnis der Kirche vom Geheimnis der Jungfrau Maria, der Demütigen und Barmherzigen, trennen, sondern sie mehr anrufen in ihren Gebeten für die Einheit der Christen, für die Familie und für die Gesellschaft.

Wir beenden diese Meditation mit der Lobpreisung der heiligen Jungfrau Maria durch den Erzengel Gabriel und Elisabeth, der Mutter des heiligen Johannes des Täufers: „Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit Dir! Gepriesen bist du unter den Frauen und gepriesen ist die Frucht deines Leibes.“ (Lk 1, 28 und 42).


  • Predigt des damaligen Metropoliten Daniel (Ciobotea), des jetzigen Patriarchen der Rumänischen Orthodoxen Kirche, zur Abendandacht vor dem Hochfest der Geburt der Gottesmutter, gehalten in der Metropolitankathedrale von Hermannstadt/Sibiu (Rumänien) während der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung am 7. September 2007.

<references />

Quelle & Copyright

Orthodoxie Aktuell, Jahrgang 2009, Heft 10

Ikonographie

Orthodoxes Glaubensbuch - Die Ikonographie

“Freue Dich, Du Mutter des Christengeschlechtes, die Du uns unter dem Kreuz Deines Sohnes zu Deinen Kindern gemacht hast!”, so preist die heilige Kirche die Gottesgebärerin. Sie ist die Fürsprecherin bei ihrem Sohn für alle, die um ihre Fürsprache bitten, für alle, die sie um Hilfe bitten.

Der heilige Bischof Ignatij Brjančaninov schrieb über den gnadenvollen Schutz der Allheiligen Gottesmutter, den sie über die Welt ausübt: “Als Mutter des himmlischen Königs ist sie zur Königin des Himmels geworden, zur Königin aller Engel und heiligen Menschen. Ihr wurden die besondere Macht und die hohe Aufgabe verliehen, bei Gott für die ganze Menschheit Fürsprache zu halten. Wenn die heilige Kirche sich mit Bitten an alle großen Gott wohlgefälligen Menschen, an alle Engel und Erzengel wendet, so sagt sie: Bittet Gott für uns. Nur bei der Anrede der Gottesmutter gebraucht sie die Worte: Rette uns!

Die Mutter Gottes ist die größte Fürsprecherin und Helferin aller sich um Gottes Wohlwollen mühenden Menschen, aller, welche ihr irdisches Leben dem Dienst für Gott geweiht haben. Sie ist die rasche Trösterin der Trauernden und Weinenden. Sie ist die Fürsprecherin der Büßer. Sie ist die hoffnungsfrohe Zufluchtsstätte der Sünder, die sich wieder Gott zuwenden wollen. Sie ist die barmherzige Für¬spre¬cherin für sie vor Gott.”

Es gibt eine große Zahl von Ikonen der Allheiligen Gottesmutter, durch die sie früher und bis heute große Wunder und Gnadenzeichen gewirkt hat und noch immer wirkt. An dieser Stelle behandeln wir nur einige von ihnen.

Orthodoxes Glaubensbuch

Vorheriges Kapitel ( Ikonenweihe )

Inhaltsverzeichnis & Copyright

Nächstes Kapitel ( Die Gottesmutterikone von Wladimir )