Diaspora

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Artikel: Orthodoxe Diaspora

Autor: Danilo Jojic

(griech.: διασπορα = verstreut) werden im orthodoxen Kirchenrecht die Regionen bezeichnet, wo mehrere Nationalkirchen ihre Diözesen haben, die Region an sich jedoch zu keiner orthodoxen Nationalkirche gehört. Die Diaspora ist eine kanonische und ekklesiologische Anomalie welche erst im XVIII Jahrhundert entstand und wurde zum ersten Mal auf der Panorthodoxen Konferenz im Jahre 1923 vom ökumenischen Patriarch Meletius IV (Metaxakis) angesprochen. Seit 1961 wurde die orthodoxe Diaspora im Themenkatalog der Großen und Heiligen Synode aufgenommen.

Das Verständnis der kirchlichen Einheit

Die kirchliche Einheit in der Orthodoxen Kirche wird vereinfacht als „eine Stadt – ein Bischof – eine Kirche“ definiert, was noch das Verständnis der christlichen Kirche in den ersten Jahrhunderten widerspiegelt. So waren Kirchen in den ersten Jahrhunderten nur in größeren Städten vorhanden, die von Bischöfen geleitet wurden. Die ekklesiologische Einheit wurde eben durch die eine Kirche in der Stadt und dem einem Bischof, als Ikone Jesus, verstanden.
Als das Christentum wuchs und weitere Kirchengemeinden gründeten wurden, schlossen sich zu Zeiten des römischen Imperators Deokletians (IV. Jahrhundert) verschiedene Bischöfe einer Region zusammen und bildeten Metropolien , die von einem Bischof geleitet wurden, der den Titel Metropolit trug. Die Bischöfe waren auch weiterhin selbständig in der Führung ihrer Diözese und die diözesane Jurisdiktion wurde nicht beschädigt, womit auch die kirchliche Einheit weiterhin bestanden blieb.
Im V. Jahrhundert bestanden eine dreistufige ekklesiologische Struktur aus Metropolie, Diözese und Gemeinde, welches auf den apostolischen Prinzip „eine Stadt – ein Bischof – eine Kirche“ basiert und dessen Grenzen mit den Grenzen der Städte und Provinzen im byzantinischem Reich identisch waren.

Geschichtliche Hintergründe der Diaspora

Durch verschiedene geschichtliche Ereignisse begaben sich orthodoxe Gläubigen aus ihren Heimatländern in andere Länder, in denen keine orthodoxe Nationalkirchen bestanden, sondern in erster Linie der römisch-katholischen oder protestantischen Kirchen angehörten. Der Begin der Diaspora als kanonische und ekklesiologische Anomalie begann jedoch erst im XVIII. Jahrhundert , wo erste orthodoxe Gottesdienststädten errichtet wurden.
Durch den weiteren Anstieg orthodoxer Diplomaten, Handelsleuten, Flüchtlingen, Emigranten und Gastarbeiter in solchen Ländern, in denen sie selbst oder ihre Nachfahren ihre neue Heimat gefunden haben, wurden auch weitere Gemeinden verschiedener Nationalkirchen gegründet und später auch Diözesen der einzelnen Nationalkirchen, welche bis heute bestehen und ihre diözesane Jurisdiktionen sich untereinander überlappen.

Definition der Diaspora

Im VI. Jahrhundert v. Ch. wurde der Begriff Diaspora zum ersten Mal für die Länder gebraucht in denen Juden außerhalb Palästinas lebten. Heute werden als Diaspora auch die Länder verstanden wo Leute außerhalb ihres Landes leben.
In der Orthodoxie werden als Diaspora die Länder definiert in denen verschiedene orthodoxe Jurisdiktionen bestehen, jedoch die Region an sich zu keiner orthodoxen Nationalkirche gehört. Wlasios Fidas definiert die Diaspora als die Länder die ohne kanonische Jurisdiktion eines anderen Patriarchen oder Bischofs bestehen. Jedoch ist dieser Begriff ekklesiologisch problematisch, da durch diesen Begriff die eine Kirche geteilt wird und die Gemeinden in den Diaspora Gebieten eher als zweitrangig verstanden werden können.
Um diese Anomalie in der Orthodoxie zu beenden wurde die orthodoxe Diaspora zum ersten mal vom ökumenischem Patriarchen Meletius IV (Metaxakis) auf der panorthodoxen Konferenz 1923 angesprochen und als Tagespunkt in der Agenda zur Großen und Heiligen Synode 1961 verabschiedet.

28. Kanon des IV. Ökumenischen Konzils

Als Lösung für dieses Problem wurde der 28. Kanon des IV. Ökumenischen Konzils angesprochen, der jedoch unterschiedlich gedeutet wird und in zwei Gruppen unterteilt werden kann:

Griechische Deutung

Anhand dieses Kanons versteht das ökumenische Patriarchat alle orthodoxen Gemeinden in den Diasporagebieten als Teil ihrer Jurisdiktion, da der o. g. Kanon dem ökumenischen Patriarchat die Jurisdiktion „über die Barbaren“ zuschreibt. So sieht Wlasios Fidas die heutige orthodoxe Diaspora als kanonische Jurisdiktion des ökumenischen Patriarchats. Ebenso eine ähnliche Deutung sehen wir bei Maximos von Sardes, welcher das ökumenische Patriarchat als kanonisch logische Mutterkirche für die Diaspora auf ihrem Weg zur autokephalie ansieht.
Diese Deutung teilen unter anderen das ökumenische Patriarchat, Alexandria, Jerusalem, Albanien, Griechenland, Antiochien und Polen.

Russische Deutung

Der o. g. Kanon gibt nicht nur dem ökumenischen Patriarchat das Recht auf die Diaspora, sondern jeder Nationalkirche, welche missionarischen Erfolge in den Gebieten vorweisen können. Der Kanon schreibt dem ökumenischen Patriarchat nur das Recht über die Barbaren innerhalb der genannten Gebiete und nicht weiter außerhalb, d. h. nicht das Ausland, sondern die Völker innerhalb ihres Landes, welche nicht die Nationalsprache sprechen. Dieser Meinung sind unter anderem Troitsky, Erzbischof Stilianos Harkianakis, A. A. Uhtimski und Metr. Philip, der den o. g. Kanon als temporär ansieht, welches in der heutigen Zeit keinen Gebrauch mehr findet.
Von Seiten der Nationalkirchen wird diese Deutung vor allem von den Nationalkirchen in Russland und Rumänien geteilt.

Vorbereitung der Großen und Heiligen Synode

Wie wir oben sehen konnten, führt der 28. Kanon des IV. Ökumenischen Konzils zu keiner orthodoxen Einigkeit und zur Lösung der Anomalie in der Diaspora und wird vor allem dadurch bestärkt, da viele Nationalkirchen die Diasporagebiete auch in ihren Verfassungen als Jurisdiktion ansehen. Aus diesem Grund galt es eine andere Lösung dieses Problems auf kanonischer und ekklesiologischer Basis der orthodoxen Kirche zu finden.
Ein Lösungsvorschlag wurde dann von der III. Interorthodoxen Vorbereitungskommission 1993 in Chambésy verabschiedet, wo zur Gründungen von Bischofskonferenzen in den verschiedenen Diaspora Gebieten vorgeschlagen wird. Dieser Vorschlag wurde auch von den Bischöfen auf der IV. Vorkonzilären Panorthodoxen Konferenz 2009 in Chambésy verabschiedet, wo sie die Gründung solcher Konferenzen zustimmten und eine Mustersatzung als Richtlinie für solche Konferenzen verabschiedeten. Ebenso wurden die Regionen der Diaspora auf dieser Konferenz wie folgt definiert:

1. Nord Amerika und Mittelamerika
2. Süd Amerika
3. Australien, Neuseeland und Ozeanien
4. Großbritannien und Irland
5. Frankreich
6. Belgien, Holland und Luxemburg
7. Australien
8. Italien und Malta
9. Schweiz und Lichtenstein
10. Deutschland
11. Skandinavischen Länder (außer Finnland)
12. Spanien und Portugal

Die Bischofskonferenzen haben in erster Linie eine pastorale Aufgabe das orthodoxe Leben in der Diaspora so gut es geht zu ermöglichen und besitzen keine kanonische oder autonome Kraft. Somit liegt zwar in ihrer Kompetenz die „Bewahrung der Einheit und die Zusammenarbeit der Orthodoxen Kirche“ , jedoch darf die Bischofskonferenz „auf keinen Fall in die diözesane Jurisdiktion eines Bischofs eingreifen und die Rechte seiner Kirche einschränken“ .
Wie aus dem Beschluss der IV. VPK hervorgeht sind die Bischofskonferenzen nicht die Lösung an sich, sonder eine „Übergangslösung“ (1.b), welche die Diaspora Situation für eine „strenge kanonische Lösung vorbereitet“, was auch zur Aufgabe der Bischofskonferenz auf panorthodoxer Ebene gehört. Diese Vorbereitung, oder wie es in dem Beschluss vom 6.-13. Juni 2009 steht - die „Übergangsphase“ soll bis zum Heiligen und Großen Konzil der orthodoxen Kirche abgeschlossen sein.

Literatur

- „Die IV. Panorthodoxe Vorkonzilare Konferenz: Fortschritte auf dem Weg zum Panorthodoxen Konzil.“ G2W 37, Nr. 9 (29)
- „Verfahren und Tagesordnung der IV. Vorkonziliaren Panorthodoxen Konferenz.“ Una Sancta 42, Nr. 1 (1987)
- „Interorthodoxe Vorbereitungskommission für die Heilige und Große Synode (Chambésy/Schweiz, 1993): 1. Die Orthodoxe Diaspora.“ Orthodoxes Forum 8, Nr. 1 (1994)
- „Beschlüsse der IV. Präkonziliaren Panorthodoxen Konferenz - Chambesy, 6.-13. Juni 2009: Die orthodoxe Diaspora.“ Orthodoxes Forum 23, Nr. 2 (2009)
- „Satzung der Bischofskonferenz in der orthodoxen Diaspora.“ Orthodoxes Forum 23, Nr. 2 (2009)
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- LEMOPOULOS, Georges, „Orthodox Diaspora in Europe: An attempt to describe a range of old and new issues.“. http://www.deltapublicaciones.com/derechoyreligion/gestor/archivos/07_10_00_895.pdf
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Weblinks