Lew Karsawin

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Lew Platonowitsch Karsawin

Lew Platonowitsch Karsawin (1882–1952) war ein bedeutender russischer Religionsphilosoph, Historiker und Mediävist, Dr. phil. (seit 1916) und Dr. theol. (seit 1918).

Er wurde in die Familie des Balletttänzers Platon Karsawin und seiner Frau Anna (einer Großnichte des bekannten Religionsphilosophen Alexei Chomjakow) hineingeboren.

Er absolvierte 1906 die Fakultät für Geschichte und Philologie an der Universität von St. Petersburg und hielt Vorlesungen an den Höheren Frauenkursen (Bestuschew-Kurse), an den Lesgaft-Kursen zur Vorbereitung von Sportlehrerinnen und am Psychoneurologischen Institut. 1913 wurde er zum außerordentlichen Professor an der Universität von St. Petersburg ernannt, und seit 1915 war er dort ordentlicher Professor am Institut für Geschichte und Philologie.

Er schrieb seine Magisterarbeit zum Thema " Überblick über das religiöse Leben im Italien der 12. und 13. Jahrhunderts“ (1913) und seine Dissertation zum Thema „Die Grundlagen der mittelalterlichen Religiosität im 12. und 13. Jahrhunderts, vorwiegend in Italien“ (1916).

Karsawin war Schatzmeister der Historischen Gesellschaft der Petrograder Universität und schrieb für verschiedene Zeitschriften, darunter Westnik Ewropy (Der Europabote), Golos Minuwschego (Die Stimme der Vergangenheit), Tserkowny Westnik (Der Kirchenbote) und Istoritschesky Westnik (Der Geschichts-Bote). Er war einer der Gründer der Arbeiterfakultät der Petrograder Universität (1919) und wurde später auch Präsident der Universität. In der Zeit von 1918 bis 1923 war er Mitglied der St.Sophia-Bruderschaft und einer Reihe philosophischer Gesellschaften. Er beteiligte sich an wissenschaftlichen und pädagogischen Veröffentlichungen und war einer der Gründer und Professoren des Theologischen Instituts. 1921 wurde er zum Professor der Gesellschaftlich-Pädagogischen und Juristischen Abteilungen der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität zu Petrograd gewählt Er schuf ein neues religionsphilosophisches System, das auf einheitlichen metaphysischen Elementen beruhte.

1922 wurde er unter dem Vorwurf konterrevolutionärer Umtriebe verhaftet und auf dem sogenannten „Philosophen-Dampfer, zusammen mit 45 anderen Wissenschaftlern und Künstlern (darunter auch Nikolaj Berdjaew, Sergius Bulgakow, Semion Frank, Iwan Iljin) ins Exil geschickt. Dort lebte er zunächst in Berlin und ab 1926 in Paris.

In den Jahren 1925/1926 wurde er einer der Vertreter des Eurasianismus. Seit 1927 hatte er eine Professur an der Universität von Kaunas in Litauen inne. Dort veröffentlichte er u.a. seine Arbeit „Die Theorie der Geschichte“ («Теория истории»,1929), sein fundamentales fünfbändiges Forschungswerk „Die Geschichte der euröpäischen Kultur“(„Europos kultūros istorija“, 1931-1937) sowie mehrere Dutzende Artikel zur mittelalterlichen Philosophie und Theologie in der „Litauischen Enzyklopädie“ („Lietuviškoji enciklopedija“) und verschiedenen Zeitschriften.

Nach dem Anschluss Litauens an die Sowjetunion 1940 wurde er von seiner Lehrtätigkeit suspendiert und arbeitete in Vilnius als Direktor des Kunstmuseums. 1949 wurde er verhaftet und zu zehn Jahren Gefangenschaft verurteilt. Im Lager des Dorfes Abez in der Autonomen Sozialistischen Sowjet-Republik (ASSR) Komi verfasste er eine Reihe religiöser und philosophischer Werke.

Im März 1950 starb Karsawin in einem Lagerkrankenhaus an Tuberkulose.

In seinen Werken entwickelte Karsawin eine ganz eigene „Philosophie der All-Einigkeit“ („философии всеединства“) in Bezug auf das Problem der Persönlichkeit, der Methodologie der Geschichte, der Geschichte der Kultur, der Gnoseologie, der Ethik und der Soziologie. Dabei versuchte er die Schaffung eines ganzheitlichen Systems der christlichen Weltanschauung und bezog sich dabei auf frühchristliche Lehren (z.B. die Patristik, Origenes) und die russische Religionsphilosophie, insbesondere auf die Tradition von Wladimir Solowjow. All-Einigkeit wurde von Karsawin als dynamisches Prinzip der Werdung des Seins definiert. Als fundamentale Kategorie des historischen Vorganges liege sie in der Grundlage der Historiosophie.


Werke

  • Очерки религиозной жизни в Италии XII—XIII вв. СПБ. 1912.
  • Монашество в средние века. СПб. 1912.
  • Основы средневековой религиозности… СПБ, 1915.
  • Культура средних веков. СПБ — М., 1914.
  • Католичество. Петроград, 1918.
  • Введение в историю. Петроград, 1920.
  • Восток, Запад и русская идея. Петроград, 1922.
  • Д. Бруно. Берлин, 1923.
  • Философия истории. Берлин, 1923.
  • О началах. Берлин, 1925.
  • Perí archon. Ideen zur christlichen Metaphysik. Memel, 1928.
  • О личности. (Каунас), 1929.
  • Поэма о смерти, 1931.
  • Europos kultūros istorija. Kaunas, 1931—1937.